„Sachbeschädigung durch Rabe!“ Update!

Eine Rabenkrähe sitzt in einer Dachrinne
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Durch Rabe? Wirklich?


Vorhin auf dem Heimweg hörte ich im Radio die Meldung, dass in Aachen ein Auto auf einem Parkplatz beschädigt worden sei. Das ist normalerweise keine Meldung wert, selbst wenn es – wie in dieser Meldung gesagt wurde – das einzige beschädigte Auto auf dem Firmenparkplatz gewesen ist.

Die Polizei kam an den Tatort und sicherte neben der beschädigten Heckscheibe des Autos einen drei mal vier Zentimeter großen Stein. Er lag auf der Hutablage unter der beschädigten Scheibe. Laut WDR wurden auch DNA-Proben genommen.

Die Videoüberwachung des Parkplatzes lieferte zudem Bilder des schwarz gewandeten Täters: laut Radiomeldung (ich zitiere aus dem Gedächtnis) „35 bis 45 cm lang und befiedert: Ein Rabe.“

Er hatte, so der WDR weiter „offenbar im Flug einen mitgeführten Stein verloren – vermutlich ein liebgewonnenes Werkzeug zum Knacken von Nüssen, so die Polizei.

Nach Angaben der Beamten habe der Vogel vergeblich versucht, wieder an den Stein zu gelangen. Schließlich sei er frustriert davon geflogen. Für ihn ein ‚schwarzer Tag‘ – so der Kommentar der Polizei.“

Hier ist der WDR-Fernsehbeitrag zum Thema.

 

Wirklich ein Rabe?

Der einzige echte Rabe, der in Deutschland vorkommt, ist der Kolkrabe. Er ist selten, auch wenn die Populationen seit den 1960ern wieder deutlich zunehmen. Obwohl sie wissen, dass sie heute nicht mehr verfolgt werden, meiden Raben meist die Städte. Selbst dort, wo sie dicht an Siedlungen herankommen, wie in Berlin, wahren sie einen gewissen Abstand zur Zivilisation. Von daher erscheint die Nutzung eines Firmenparkplatzes eher ungewöhnlich.

Ein Rabe steht auf einem Pfosten im Gegenlicht und ruft
Kolkraben sind so groß wie Mäusebussarde und beeindruckende Vögel

Die angegebene Größe von 35 bis 45 cm unterstützt diese Annahme. Kolkraben sind deutlich größer, mit 54 bis 67 cm erreichen sie die Größe eines Mäusebussardes. 45 cm entsprechen eher der Größe einer Rabenkrähe, die auch wesentlich häufiger ist. Rabenkrähen kommen in großer Zahl auch in Städten und Industriegebieten vor. Sie sind komplett schwarz gefärbt und wirken wie eine kleine, etwas zierlichere Ausgabe des Kolkraben.

 

War der Stein ein Werkzeug?

Die Polizei vermutet, so der WDR, dass es sich bei dem Werkzeug um „ein liebgewonnenes Werkzeug zum Knacken von Nüssen“ handelte. Ich weiß nicht, wie der Polizeibeamte auf den Schluss kommt, dass Krähen (bzw. Raben) so vorgehen.

Wer schon einmal versucht hat, mit einem Kieselstein eine etwa gleich große Walnuss zu knacken, wird feststellen, dass das gar nicht so einfach ist. Man muss die Nuss schon sehr gut hinlegen und dann genau treffen, sonst flutscht sie weg – und bleibt heil. Ich traue Rabenvögeln alles mögliche zu, aber nicht, dass sie aus dem Flug einen Stein so genau abwerfen.

Müssen sie auch nicht, sie machen es sich einfacher. Statt einen Stein hochzuschleppen und ihn auf -oder neben – die Nuss zu werfen, lassen sie einfach die Nuss auf eine harte Fläche fallen. Meist reichen schon vier oder fünf Meter Höhe, wenn eine Walnuss auf Steinboden fällt, zerbricht die Schale und der Vogel kommt an den leckeren Kern.

Gerhard Brodowski hat dieses Verhalten auf seiner Website anschaulich beschrieben.

Ich konnte dieses Vorgehen bei Krähen im schottischen Oban beobachten. Hier waren -lokaltypisch- Nebelkrähen am Werk. Sie sammelten Muscheln und Schnecken am Strand oder im Felswatt und trugen sie bis zur wenige Meter entfernten Promenade. Dort ließen sie ihre Beute aus etwa Laternenhöhe auf den Boden aus Betonpflaster fallen. Zwischen den Felsen im Watt hätten sie sie kaum wieder gefunden. Am Strand besteht die Gefahr, dass das Gehäuse nicht kaputt geht.

Einen Film über dieses Verhalten habe ich auf Youtube gefunden:

In Japan sind die Krähen noch fortschrittlicher, sie nutzen quasi Hightech. Hier werfen sie die Nüsse auf von Autos befahrene Straßen und warten, bis ein Auto drüberfährt und die Nuss so knackt. Das erspart einige kurze Steigflüge und damit Energie. Angeblich suchen sie sich für diese Aktionen gezielt Ampelkreuzungen aus, wo sie bei „Grün“ für Fußgänger sicher fressen können.

 

Was ist in Aachen passiert?

Warum eine Krähe einen Stein aus so großer Höhe auf ein Auto fallen lässt, dass er die Heckscheibe zertrümmert, kann ich nicht sagen. Die Tatsache, dass sie nach der Aktion auf dem Auto landete und versucht hat, den Stein wieder zu bekommen (oder ins Auto zu gelangen), zeigt, dass sie das nicht zufällig tat. Hat sie im Auto Futter erwartet? Gibt es weitere Berichte über Steinschlag durch Krähen im Raum Aachen?


Nachtrag

Als ich vorgestern diesen Artikel schrieb, musste ich mit Enttäuschung feststellen, dass ich außer der Sequenz mit der Nebekrähe in Schottland keine Krähenbilder in meinem Archiv habe. Daher waren das Titelbild und das Bild mit dem rufenden Raben vor dem dramatischen Himmel auch von Pixabay.

Gestern Nachmittag saß ich am Rechner und baute an einem noch nicht fertigen Projekt, da sah ich aus den Augenwinkeln eine Krähe auf der Wiese. Nix wie los, Fotoapparat klar machen, Objektiv tauschen und Speicherkarte rein. Zwischenzeitlich machten sich drei (!) Krähen auf den Dächern der Umgebung breit: Sie lösten Moosballen, guckten zwischen die Dachschindeln und untersuchten die Dachrinnen. Zwei Elstern folgten ihnen in respektvollem Abstand. Eine der Krähen konnte ich wunderbar in der Dachrinne des Nachbarsdachs fotografieren, wie sie zwei braunrote Kugeln fand und mitnahm. Ich habe keine Ahnung, was sie da gefunden hat: Von der Größe könnten es kleine Haselnüsse sein. Der einzige Hasel der Umgebung reicht bei weitem nicht so hoch, dass die Nüsse aufs Dach fliegen könnten, außerdem hat er dieses Jahr so gut wie nicht getragen.

Kurze Zeit später habe ich ein paar Walnüsse an stratetischen Punkten im Garten verteilt, aber die Krähen waren weg und kamen auch nicht wieder. Mal sehen, ob ich in der Zeit um und nach Weihnachten mit den Tieren etwas experimentieren kann. Ich bin sicher, sie lassen sich mit etwas Futter überzeugen.

 

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