Mein Jahresrückblick 2018

Dies ist ein Rückblick auf das Jahr 2018 von mir. Es ist kein politischer Jahresrückblick. Es ist kein wissenschaftlicher Jahresrückblick. Es ist keine Bewertung eines Projektes und es geht auch nicht um mich und mein Befinden. Es sind einzelne Highlights, die ich mir herausgegriffen habe. Ich habe sie ausgewählt, weil ich glaube, dass sie auch in 10 Jahren noch Bedeutung haben könnten.
14. März 2018: Stephen Hawking stirbt.
Der berühmte theoretische und Astrophysiker Stephen W. Hawking starb in Cambridge. Bekannt wurde Hawking durch seine wissenschaftlichen Arbeiten zur Existenz von Singularitäten (1966) in der allgemeinen Relativitätstheorie. Er berechnete 1974 die nach ihm benannte Hawking-Strahlung, die von Schwarzen Löchern ausgeht. Schwarze Löcher blieben auch in der weiteren Folge sein Hauptforschungsobjekt: Hawking befasste sich mit dem „Problem des Informationsverlustes Schwarzer Löcher“, das den Prinzipien der Quantenmechanik entgegenläuft.

Stephen Hawking litt bereits während seiner Studienzeit an Amyotropher Lateralsklerose (ALS), die sein Nervensystem zerstörte. 1968 war er bereits an einen Rollstuhl gebunden. Seit 1985 konnte er nicht mehr sprechen und war auf einen Sprachcomputer angewiesen. Dies bremste zwar seinen Output, nicht aber seine Gedanken. 1988 brachte Hawking sein berühmtestes populärwissenschaftliches Buch heraus: „Eine kurze Geschichte der Zeit“. Hierdurch und durch die Tragik seiner Erkrankung wurde er zu einer regelrechten Pop-Ikone der Physik.
1992 trat er – auf eigenen Wunsch – als Hologramm-Projektion seiner selbst in der Science-Fiction-Serie StarTrek – The Next Generation auf. Stephen Hawking war damit die einzige Person, die sich im StarTrek-Universum selbst dargestellt hat. Bei einem Pokerspiel mit Isaak Newton, Albert Einstein und Commander Data. Laut eigenen Angaben hat er gewonnen, konnte aber die Chips nicht einlösen.
SciFi-Fan und Pop-Ikone der Wissenschaft
Auch als SciFi-Liebhaber warnte Hawking vor den möglichen Risiken auf der Suche nach außerirdischem Leben. Er warnte auch vor den Gefahren der Menschheit durch die Menschheit selber: Gentechnisch veränderte Viren, Atomkriege, künstliche Intelligenz und die globale Erwärmung hätten das Potenzial, die Menschheit auszurotten. Daher sah er die Notwendigkeit, Kolonien im Weltraum zu errichten.
Stephen Hawking starb am 14. März 2018 in seinem Haus in Cambridge. Er war zweimal verheiratet, beide Ehen wurden geschieden. Aus der ersten Ehe hinterlässt er drei Kinder. Am 15. Juni 2018 wurde seine Asche im Rahmen eines Gedenkgottesdienstes in der Westminster Abbey in London beigesetzt. Sein Grab liegt zwischen den Gräbern Charles Darwins und Isaac Newtons, zweier der wichtigsten Wissenschaftler des Vereinigten Königreiches. Damit erhielt Stephen Hawkings posthum die größte Ehre, die einem Wissenschaftler dort zuteil werden kann.
19. März 2018 „Sudan“ wird im Ol Pejeta Conservancy in Kenia eingeschläfert
Sudan wurde 1973 im heutigen Südsudan geboren. Er war ein Breitmaulnashornbulle, ein Vertreter der nördlichen Unterart. Mit fünf weiteren Artgenossen wurde er 1975 im Gebiet des heutigen Shambe-Nationalparkes gefangen. Die nächsten Jahre verbrachte er im Zoo im tschechischen Dvur Kralove. Der Zoo ist einer der größten Europas und hatte eine riesige Nashornanlage. Dennoch zeugte Sudan dort nur zwei Kälber. Ob dies an Sudan oder den Haltungsbedingungen lag, bleibt unklar.
Das langsame Aussterben einer (Unter-) Art

Durch Wilderei schrumpften die Bestände des Nördlichen Breitmaulnashorns seit den 1950ern rapide. Mitte der 1990er Jahre gab es noch etwa 30 Tiere. Alle lebten im Garamba-Nationalpark in der Demokratischen Republik Kongo. Aus politischen Gründen scheitert eine Umsiedlung nach Kenia, wo der Schutz von Nashörnern erfolgreicher gewesen wäre. Die letzten Tiere des Kongo wurden dort im August 2005 gesehen. Eine Expedition 2008 konnte keine Nördlichen Breitmaulnashörner oder deren Spuren im Garamba-Nationalpark mehr nachweisen. 2009 wurde die Unterart offiziell „In der Natur ausgestorben“ erklärt.
In der Folge geht man den schon verzweifelt anmutenden Versuch ein, vier der letzten Zootiere im privaten Ol-Pejeta-Reservat im Süden Kenias auszuwildern. Die Projektbeteiligten hofften, die natürlichere Umgebung würde ihre Fortpflanzungsbereitschaft steigern. Im Dezember 2009 trafen Sudan, seine Tochter Najin sowie der Bulle Suni und die Kuh Fatu im Nationalpark ein. 40 paramilitärisch ausgebildete Rangern bewachen sie rund um die Uhr.
2014 starb der Bulle Suni im Nationalpark, sowie Angalifu, der letze Bulle im Zoo von San Diego (Foto). Damit war Sudan das letzte bekannte Männchen des Nördlichen Breitmaulnashorns. Leider stellte eine Reihe von Untersuchungen heraus, dass Sudan zeugungsunfähig war.
Beim Dating-Anbieter Tinder war Sudan für einige Monate der „begehrteste Junggeselle“. Diese Öffentlichkeitsarbeit brachte Spenden ein. Damit sollten die noch verbleibenden, weiblichen Tiere in-vitro-fertilisiert werden – bisher erfolglos.
Am Ende war’s sein Alter

Durch sein Alter und möglicherweise auch die zahlreichen Vollnarkosen war Sudan ab 2017 deutlich gezeichnet. Ende des Jahres war er am rechten Hinterbein geschwächt. Er konnte nicht mehr alleine aufstehen. Um sein Leiden zu beenden, beschlossen seine tierärztlichen Betreuer am 19. März 2018, ihn einzuschläfern.
Sudan wird von seiner Tochter Najin und seiner Enkelin Fatu überlebt. Auf natürlichem Wege wird die Unterart daher in absehbarer Zeit aussterben. Wissenschaftler planen, mithilfe künstlicher Reproduktion einige Nördliche Breitmaulnashörner zu erzeugen. Im Leibnitz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung werden Spermaproben von Sudan und weiterer Bullen aus Tschechien aufbewahrt. Als Eizellspender kommen dennoch nur die beiden Weibchen in Frage.
Meine Meinung: Die genetische Basis ist extrem klein, da die beiden Weibchen Mutter und Tochter sind. Zu einer gesunden Population rechnen Wissenschaftler mindestens 50 nicht verwandte, erwachsene Tiere.
Mehr als ein paar „fancy animals“ für die Zoohaltung wird man so nicht erzeugen können, selbst wenn alles gut geht.
Die Menschheit hat es mal wieder geschafft, eine Tierart auszurotten. Ungleiche Verteilung der Ressourcen und Chancen, Gier, die Sucht nachTrophäen und auch die Chinesische Medizin sind schuld. Das Nördliche Breitmaulnashorn ging diesen Weg. In absehbarer Zeit könnten die anderen Nashornarten, Elefanten, Löwen, Tiger, Gorillas und Giraffen folgen.
14. September 2018: Die Ig-Nobelpreise…
… werden jedes Jahr von der Harvard-Uni für „herausragende“ wissenschaftliche Leistungen verliehen. Sie erscheinen auf den ersten Blick völlig absurd, aber haben oft sinnvollen, humorvollen oder sarkastischen Hintergrund.

Dieses Jahr wurden unter anderem folgende Personen mit einem Ig-Nobelpreis geehrt:
- James Cole aus dem Vereinigten Königreich. Er berechnete, dass eine kannibalische Ernährung des Menschen deutlich weniger Kalorien enthält als die meisten traditionellen fleischhaltigen Kostformen.
- Eine neunköpfige Arbeitsgruppe aus Schweden, Kolumbien, Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Sie wiesen nach, dass Weinkenner zuverlässig eine einzelne Fliege im Weinglas riechen können.
- Paula Romão, Adília Alarcão und César Viana aus Portugal. Sie überprüften, ob Spucke als Reinigungsmittel taugt. (das weiß jede Mutter / Oma / Tante instinktiv, leider)
- Marc Mitchell und David Wartinger aus den USA. Sie fanden heraus, dass Achterbahnfahrten die Ausscheidung von Nierensteinen beschleunigen.
Den Besen für immer in die Ecke gestellt.
Während der Zeremonie werfen die Zuschauer unzählige Papierflieger auf die Bühne. Traditionell fungierte Roy Glauber jedes Jahr als Besenmeister. Lediglich 2005 war er verhindert: Er musste nach Stockholm, seinen Physik-Nobelpreis abholen. Im Dezember 2018 starb er.
21. September 2018: Dickinsonia als Tier identifiziert

Die seltsame Dickinsonia lebte im Ediacarium vor etwa 560 bis 555 Millionen Jahren. Ihre Fossilien sehen ein wenig wie ein Fingerabdruck im Gestein aus: Mehr oder weniger oval, mit einer Mittellinie und von dort aus abstreifend verlaufenen Lamellen. Über die systematische Einordnung von Dickinsonia und der gesamten Ediacara-Fauna wird seit vielen Jahren kontrovers diskutiert.
Eine Arbeitsgruppe um Jochen J. Brocks und Ilya Bobrovsky veröffentlichte die Entdeckung von fossilen Sterioden in Fossilien von Dickinsonia. Sie hatten gut erhaltene, 558 Millionen Jahre alte Fossilien aus dem arktischen Russland untersucht. Diese enthielten noch Biomarker, die beim Abbau von tierischen Fetten typischerweise entstehen. Sie ähneln dem Cholesterin. Der überwiegende Teil dieser Biomarker bestand aus Resten von Verbindungen, die für Tiere typisch sind. Nur 1,8 Prozent bestanden aus Resten von pilztypischen Verbindungen. Auch die für Einzeller charakteristischen Moleküle fehlen weitgehend.
Die Originalarbeit erschien in Science.
Mein Kommentar

Die Ediacara-Fossilien berichten von weichkörperigen Lebewesen aus der Zeit vor der Kambrischen Explosion. Mehr aus der Not heraus stellte man sie sogar in ein eigenes Reich: Vendobiota. Das hatte etwas romantisches: „Die ältesten Vielzeller waren weder Pflanze noch Tier und bildeten etwas eigenes“, so war die Meinung nicht weniger Paläontologen. Wie sich Vendobioten ernährten, wusste man nur in Ansätzen. So etwas wie Räuber schien es nicht zu geben. Man vermutet(e), dass einige dieser Lebewesen Photo- oder Chemosynthese beherrschten. Andere mögen Bakterienrasen abgeweidetet oder inkorporiert haben. Paradiesische Zustände – mit dieser Arbeit aber wohl passé.
Vertreibung aus dem Paradies
Das damit verbundene Reich Vendobiota ist damit zwar nicht auf den Haufen der wiederlegten wissenschaftlichen Theorien gewandert. Bei Dickinsonia handelte es sich ja nicht die einzige Gattung, die hier untergebracht wurde.
Dickinsonia war ein Tier und musste sich folglich von anderen Lebewesen ernähren. Nichts war mit dem harmlosen, fast ätherischen „aus dem Wasser Mineralien aufnehmen und mit Sonnen- oder geothermer Energie organische Moleküle produzieren.“ Profanes Fressen war angesagt, wenn auch vielleicht nicht mit Mund und Magen. Sondern einer Unterseite, die Verdauungsenzyme abgeben und verdautes Material aufnehmen konnte? Das würde die Form von Dickinsonia erklären – aber die Vorstellung paradiesischer Zustände zu Beginn der Zeiten nicht wieder herstellen.
Vermutlich lösten die ersten Räuber die kambrische Explosion aus. Da erscheint dies wie eine Vertreibung aus Eden – nur ohne Schlange und Apfel.
24. Oktober 2018: Archaeopteryx war wirklich auf dem Weg zum Flieger

Der Urvogel Archaeopteryx ist eine Ikone der Paläontologie und der Evolutionsforschung. Obwohl es nur wenige Fossilien gibt, zeigen sie einiges auf dem Weg vom flugunfähigen Dinosaurier zum flugfähigen Vogel – und Archaeopteryx mitten drin.
Die Tiere waren keine „richtigen“ Saurier mehr, aber auch noch keine „richtigen“ Vögel. Ob sie „richtig“ fliegen konnten, ist umstritten.
Untersuchungen einer Arbeitsgruppe um Per Ahlberg und Martin Kunderat befassten sich nun mit dem achten Exemplar. Dieses „Daiting-Exemplar“ ist das jüngste der bisher gefundenen Archaeopteryx-Fossilien. Es stammt aus der Mörnsheim-Formation.
Zu den Innovationen des Daiting-Exemplars gehören die Fusion und Pneumatisierung von Schädelknochen. Die bessere Durchblutung des Schultergürtels und Teile der Flügel und eine verstärkte Struktur der Mittelhandknochen sind ebenfalls neu. Insgesamt scheint dieses Exemplar besser an den Flug angepasst zu sein, als die älteren Fossilien. Dadurch unterscheidet sich deutlich von den 500.000 Jahre älteren Tieren aus den darunter liegenden Solnhofen-Schichten.
Die komplette Arbeit ist hier nachzulesen.
Mein Kommentar hierzu:
Archaeopteryx macht auf dem Solnhofen-Archipel eine schnelle Evolution in Richtung des Vogelfluges durch. Für nur 500.000 Jahre zwischen den beiden Formationen sind die Unterschiede groß, aber nicht extrem groß. Allerdings wissen wir nicht, was es an Veränderungen gab, die die Fossilien nicht zeigen. Das Daitinger Fossil zeigt kaum Federn. Deswegen wird eine entscheidende Verbesserung der Flugfedern nicht sichtbar. Verbesserungen im Gleichgewichtssinn und in der „Software“ bleiben ebenfalls verborgen.
Das Daiting-Exemplar wurde um 1990 gefunden und verschwand in einer Privatsammlung. 1996 wurde sehr kurzzeitig ein Abguss im Naturkundemuseum Bamberg gezeigt. Danach war das Exemplar wieder verschwunden, daher sein Beiname: „The Phantom“. Erst 2009 konnte der Paläontologe Raimund Albersdörfer das Original kaufen. Es befindet sich jetzt als Dauerleihgabe in der Bayrischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie in München.
Diese Geschichte macht deutlich, dass auch die Exemplare in privaten Sammlungen der Wissenschaft nicht entzogen werden dürfen. Kein ernsthafter Sammler sollte ein Problem damit haben, ein Sammlungsobjekt eine Weile für wissenschaftliche Zwecke abzugeben. Unter Umständen steigt durch die Publikation der Ergebnisse der Wert dieses Objektes beträchtlich.
Archaeopteryx ist hier besonders betroffen:
– Das 11. Exemplar wurde erst mehrere Jahrzehnte nach seiner Entdeckung der Öffentlichkeit präsentiert.
– Das 12. Exemplar war „nur“ 8 Jahre verschwunden, seit 2017 wird es ausgestellt.
– Das „Maxberger Exemplar“ (Nummer 3) gilt seit dem Tod seines Besitzers 1991 als verschollen.
Das sind drei von elf bekannten Archaeopteryx, die lange nicht – oder nicht mehr – für die Wissenschaft zur Verfügung stehen. Wer weiß, was noch in Privatsammlungen herumliegt, an den Wänden von Partykellern verstaubt? Was ist hinter Bilderrahmen vor neugierigen Blicken verborgen? Was wird nach dem Tod des Sammlers mit den Worten „das olle Ding? Weg damit!“ entsorgt?
Dem Archaeopteryx bin ich auf meinem Ausflug ins Weißjura sehr nahe gekommen.