Regenvögel – ein gar nicht so seltenes Phänomen

Der Volksmund bezeichnet einige Vögel als Regenvögel. Bekannt sind hier vor allem der Ortolan, aber auch die beiden in Deutschland vorkommenden Brachvogelarten und der Wendehals. Der Regenbrachvogel trägt diese Bezeichnung sogar im Namen. Häufig werden diese Vögel als Regenvogel bezeichnet, weil sie angeblich vor dem Regen flüchten oder den Regen mitbringen.
Einen Ortolan habe ich noch nie wissentlich gesehen, Brachvögel vor Jahren mal in einem Sumpf am Kochelsee. Bei Wändehälsen kenne ich nur die politische Spezies. Wirklich besucht hat mich ein ganz anderer Regenvogel. Ein häufigerer Vogel als die oben genannten: der Grünspecht. Seit ich mich erinnern kann, ist er ein mehr oder weniger regelmäßiger Gast im Garten meiner Eltern und deren Nachbarn. Meist sitzt er auf der Wiese, gelegentlich saß er auch in den Obstbäumen, als es sie noch gab.
Die alte Streuobstwiese
Meine Eltern haben ihr Haus auf einer ehemaligen Streuobstwiese gebaut. Als ich einzog, gab es einen Schwarzkirschenbaum, einen Apfelbaum und einen Birnbaum aus den alten Beständen, sowie einen kleinen Pfirsichbaum. Alle diese Bäume sind mit der Zeit an Altersschäden oder Pilzerkrankungen gestorben, jetzt ist nur noch der Stumpf des Birnbaumes vorhanden. Alle Versuche, weitere Obstbäume zu pflanzen endeten nach 10 bis 20 Jahren mit Pilzbefall und morschem Stamm. Das hält mich nicht davon ab, es weiter zu versuchen.
Wenn der Grünspecht kam, dann kam er regelmäßig, oft mehrere Tage hintereinander. Er blieb etwa eine halbe Stunde, wenn er ungestört blieb. In dieser Zeit hackte er viel mit seinem Schnabel im Boden herum, immer wieder zum Sichern unterbrochen.
Auf der Wiese sucht er seine Hauptnahrung: Ameisen. Anders als die meisten in Europa vorkommenden Spechte hacken Grünspechte er nur selten an Bäumen. Ich kann mich nicht erinnern, ihn an einem gesunden Baum gesehen zu haben. Wenn er am Baum saß, dann immer da, wo sich die Rinde schon großflächig ablöste.
Er kommt noch
Vor einigen Tagen saß ich an einem Schreibtisch bei meinen Eltern und arbeitete am Computer. Dabei nahm ich eine Bewegung im Augenwinkel wahr. Es lohnt sich, bei solchen Bewegungen vorsichtig hin zu sehen, schon öfters konnte ich so ungewöhnliche Vögel beobachten. Diesmal war es der Grünspecht. Etwa 12 m entfernt saß er, am unteren Ende der Wiese. Zunächst konnte ich ihn beim Sichern, dann auch bei der Nahrungssuche beobachten. Immer wieder hackte er mit seinem Schnabel in den Boden.
Weit genug entfernt, um ihn nicht zu verunsichern, stand ich langsam auf, holte den Fotoapparat und montierte das Tele. Glück gehabt, der Vogel saß noch da. Er blieb auch noch eine Weile, immer wieder hacken, sichern, sichern, hacken. Irgendwann kam ich dann auf die Idee, aus der -für den Vogel nicht sichtbaren- Haustür zu gehen und um die Hausecke zu fotografieren. Eine andere Perspektive, ohne Scheibe.
Leider fand der Vogel die Idee nicht ganz so gut. Kaum war ich um die Ecke gebogen, flog er auf und mit einem Alarmschrei zog er über den Garten der Nachbarn ab. Wohin er flog, konnte ich nicht verfolgen.
Grünspechte flüchten oft in sehr geringer Höhe, zwischen Büschen und Stauden. Das macht sie für von oben jagende Falken wie den Wanderfalken schlecht angreifbar. Leider sind sie dadurch besonders gefährdet, mit Autos oder Bahnen zusammenzustoßen.
Er ist wieder da
Kaum zwei Tage später war er wieder da. Ich saß auf dem selben Platz wie bei der letzten Begegnung, diesmal kam er mir deutlich näher. Keine 3 m war er weg. Die Kamera war noch vom ersten Einsatz eingerichtet und der Specht blieb… und blieb … und blieb. So konnte ich trotz des bedeckten Himmels und der damit nicht besonders hellen Beleuchtung fast 200 Fotos von ihm schießen. Zwischendurch drängte sich eine Kohlmeise ins Bild, die offenbar einen Kern vom Futterspender erbeutet hatte und ihm nach Spechtmanier mit kräftigen Schnabelhieben zu Leibe rückte. Ob der große Grüne davon Notiz nahm und was er davon hielt?
Der Grünspecht begann eine ganze Weile, nachdem er sich auf der Wiese niedergelassen hatte, verstärkt zu sichern. Immer wieder unterbrach er die Nahrungsaufnahme, um weiter zu sichern. So, wie er den Kopf dabei drehte, dann wieder unbeweglich sitzen bleibt, schien es mir, als würde er nicht nur sehen, sondern auch lauschen.
Irgend etwas störte ihn. Ich hatte erwartet, dass er bei Beunruhigung weiter ins offene Gelände wandert. Hier kann er Bodenfeinde wie Katzen oder Marder eher sehen. Doch das Gegenteil war der Fall, er zog sich weiter in eine Ecke zwischen Haus, überhängendem Balkon und etwa 2 m hohem Dickicht zurück. Offenbar sah er, dass vom Haus keine Gefahr drohen konnte. So kam er der Wand und dem Fenster immer näher und konnte damit den Winkel, aus dem ein Feind anrücken kann, fast halbieren.
Nett für mich und die Fotos, aber nach kurzer Zeit war das dann doch zu viel und der „Grünschnabel“ flog davon.
Warum Regenvogel?

Grünspechte verpaaren sich, wie die meisten in Mitteleuropa vorkommenden Vögel im Frühjahr. Am Ende des Winters sind sinkender Luftdruck und steigende Temperaturen oft Auslöser für die ersten Kontaktrufe. Je nach Winterverlauf kann das Ende Dezember sein, die höchste Balzaktivität liegt aber meist Ende Februar.
Sinkender Luftdruck und steigende Temperaturen sind typische Anzeichen für eine Warmfront: Warme Luft schiebt sich über bodennahe Kaltluftmassen: es kommt zu gleichmäßigen und anhaltenden Landregen. Ganz klar: der Vogel hat den Regen gerufen, der Regenvogel!