Kann man Ostereier mit Naturfarben färben?

Was hat Gott zuerst erschaffen,
Wohl die Henne? Wohl das Ei?
Wäre das so schwer zu lösen?
Erstlich ward ein Ei erdacht.
Doch weil noch kein Huhn gewesen,
Schatz, so hats der Has gebracht.
(Eduard Mörike 1804-1875)
Dieses Bild gab den Denkanstoß: Ostereier mit Naturfarben gefärbt, gefunden bei Think Food
Das „Eggsperiment 2“
Wer mich kennt, weiß, dass ich eine gewisse Präferenz für Experimente mit Eiern habe. Einige werden sich an das „Eggsperiment 1“ erinnern, wer das nicht tut: Ich werde es irgendwann wiederholen und hier vorstellen. Dies hier ist das „Eggsperiment 2“:
Mal wieder kam die Inspiration aus den sozialen Medien. Vor einigen Tagen bekam ich auf einem Bild die Anregung, Ostereier mit Naturfarben zu färben. Das Bild stammte von der Seite Think Food (facebook-Link), die das Überdenken von Lebensmitteln thematisiert. Systematisch waren gefärbte Eier, Färbemittel als Pflanzenbestandteil und die daraus erstellte Färbelösung auf einem Holzboden aufgereiht. Der Bildautor wollte damit darstellen, dass man gelbe, rote, blaue, grüne, violette und braune Ostereier mit Naturfarben erzeugen könne.
Das hat meine Neugier geweckt.
Was bekannt ist
Seit vielen Jahren färben wir in der Familie Eier mit Zwiebelschalen in unterschiedlichen Brauntönen ein. Wenn dann noch ein befeuchtetes Blatt, eine Blüte oder ein Farnwedel auf das Ei gelegt und mit einem Strumpf befestigt wird, kommt ein kleines Kunstwerk heraus, ganz ohne künstliche Farbstoffe.
Im letzten Jahr fiel mir eine Anleitung in die Hände, nach der man einfach Grüntöne mit Chlorophyll erzeugen können sollte. Der Arbeitsweg soll denkbar einfach sein: man kocht eine stark chlorophyllhaltige Pflanze wie Petersilie oder Spinat mit den Eiern und sie werden grün.
Ein wenig skeptisch war ich, schließlich kenne ich die Chlorophyll-Extraktion aus dem Pflanzenphysiologie-Praktikum: ohne Aceton und viel Quetscharbeit bekommt man diesen Farbstoff kaum aus der Pflanze heraus.
Das Ergebnis war entsprechend: Die Petersilie war nach 10 Minuten Kochen schlapp und dunkelgrün, das Kochwasser minimal grün gefärbt, den Eiern sah man nur im direkten Vergleich einen Unterschied zum „vorher“ an. Dafür stank die ganze Bude nach Petersilie.
Haben die Autoren ihren eigenen Vorschlag überhaupt ausprobiert?
Über die Chemie dahinter
Eierschalen bestehen aus Calciumcarbonat, Kalk. Kalk ist ein Salz und besteht aus positiv geladenen Calcium-Ionen und negativ geladenen Carbonat-Ionen. Damit sich hier ein Farbstoff dauerhaft anlagern kann, muss er über geladene Gruppen verfügen oder die Poren in der Schale füllen. Eine andere Möglichkeit ist die rein mechanische Auflagerung, solche Farben greifen sich aber schnell ab oder müssen als Lack fixiert werden.
Braun
Braune Farben werden, wie mir bereits bekannt, unter anderem mit Zwiebelschalen erzeugt. Hierbei sind wasserlösliche und mit geladenen Gruppen versehene Gerbstoffe die farbtragende Fraktion. Andere gerbstoffhaltige Pflanzen sind schwarzer Tee und Kaffee, sie sind genauso geeignet. Wie ich seit Jahren weiß, übertragen sich Gerbstoffe einfach auf die Eierschale. Da ich in diesem Versuch Neuland betreten möchte, verwende ich sie nicht.
Gelb:
Zu den genannten färbenden Pflanzen gehört Kurkuma. Wie der alte Name „Gelbwurz“ sagt, kann er färben. Kurkuma enthält als wesentlichen Farbstoff Curcumin. Curcumin ist nicht wasserlöslich, es hat wenige bis gar keine geladene Gruppen. So könnte es schwierig sein, es über das Wasser ans Ei zu bekommen. Ob es haften bleibt, ist dann eine andere Frage.
Rot:
Der für Ostereier eigentlich essenzielle Farbstoff stammt nach dem Vorschlag von Think Food aus der Roten Bete. Der Farbstoff Betanin ist sehr gut wasserlöslich und enthält reichlich geladene Gruppen, er wird sich von der Pflanze aufs Ei übertragen lassen. Die Frage ist nur, ob er im Zusammenhang mit dem alkalisch reagierenden Kalk der Eierschale seine rote Farbe behält.
Blau und violett:
Diese beiden Farben werden aus Pflanzen gewonnen, die Anthocyane enthalten. Diese Farbstoffe färben im sauren Bereich rot, im alkalischen Bereich blauviolett. Anthocyane sind wasserlöslich und können so relativ einfach über die Wasserphase auf die Eierschale übertragen werden.
Als Quellen für Anthocyane sind Blaubeeren und Rotkohl abgebildet. Da Blaubeeren ein Vielfachtes des Anthocyangehaltes von Rotkohl besitzt, werde ich sie verwenden. Ich werde es im alkalischen Bereich mit Natron versuchen.
In der Praxis
Vor dem Versuch steht der Einkauf. Da ich nicht einsehe, unschuldige Hühner in enge Käfige zu stecken, kaufe ich seit vielen Jahren nur Bio-Eier. Ich möchte für den Versuch die Farben möglichst unverfälscht haben, daher sind weiße Eier Pflicht. Bio-Eier sind in Deutschland aber generell braun, obwohl die Eierschale vom Huhn und nicht von der Haltung abhängt. Ich habe drei Supermärkte und einen kleinen Lebensmittelladen besucht und keine weißen Bio-Eier bekommen. So musste ich auf Bodenhaltung zurückgreifen.
Kurkuma war genauso „leicht“ zu bekommen. Als Gewürzmischung oder auch getrocknetes Pulver war es im Supermarkt kein Problem, aber nach einer frischen Wurzel muss man suchen. In einem türkischen-marokkanischen Lebensmittelgeschäft bin ich dann fündig geworden. Auf die Frage, wozu ich das brauche, sagte ich wahrheitsgemäß „Ich möchte Ostereier färben“. Mit der Antwort „Oh, da haben wir viel buntere Farben hier“ bekam ich dann ein Paket mit den bekannten, synthetischen Farben gezeigt.
Laut Wikipedia ist der Saft schwarzer Johannisbeeren eines der Nahrungsmittel mit dem höchsten Gehalt von Anthocyanen. Nichts leichter als das, Fruchtsäfte gibt ja in großer Zahl auf dem Markt. Auch hier stellt sich ein Problem: Alle Getränke, die mit „Schwarze Johannisbeere“ bezeichnet sind, beinhalten maximal 25 oder 30% Johannisbeersaft. Der Rest sind Zusatzstoffe, die keine oder wenige Anthocyane enthalten.
Blaubeeren enthalten auch große Mengen Anthocyane, sie sind als Kultur-Blaubeeren gut verfügbar.
Los geht’s!

Für die Farbversuche stehen also insgesamt 3 Farben an: Gelb, Rot und Blau. Um die Auswirkungen der Farbexperimente zu zeigen, färbe ich je Farbe 3 Eier, jeweils eins 30 Minuten, 60 Minuten und 4 Stunden.
- Vor dem Färben werden die Eier vorbereitet, damit sie die Farben besonders gut aufnehmen: Ich koche sie 10 Minuten, schrecke sie kurz ab und gebe sie dann in Wasser, dem ich einen Schuss Essig zugegeben habe.
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- So bleiben sie 10 Minuten liegen, das ätzt die Schale ein wenig an.
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- Auf jedes Ei wird ein Blatt oder ein anderer Pflanzenteil aufgelegt und in einen Nylonstrumpf eingeschlagen, um eine Negativform auf dem Ei zu erzeugen.
- Für die Färbelösung „Gelb“ reibe ich zwei etwa fingergroße Stücke Kurkuma (mit der Schale) und übergieße sie mit 500 ml kochendem Wasser. Nach 10 Minuten werden die Feststoffe abgeseiht und die Flüssigkeit erkaltet.
Für die Färbelösung „Rot“ reibe ich eine kleine Knolle Rote Beete (125 g, mit Strunk, Schale und Stielansatz) und übergieße sie mit 500 ml kochendem Wasser. Nach 10 Minuten werden die Feststoffe abgeseiht und die Flüssigkeit erkaltet.
Für das 4 h-Ei habe ich die Färbelösung mit etwas Essig angesäuert, da rote Pflanzenfarbstoffe im Sauren meist kräftiger wirken.
Für die Färbelösung „Blau“ gebe ich 125 g Blaubeeren in einen Topf und übergieße sie mit 500 ml kochendem Wasser. Danach zerdrücke ich sie mit einer Gabel. Nach 10 Minuten werden die Feststoffe abgeseiht und die Flüssigkeit erkaltet. Nach dem Erkalten gebe ich der Flüssigkeit eine Messerspitze Natron zu, um sie basisch zu machen.
- Je zwei Eier werden in die Färbelösung gelegt und gelegentlich bewegt.
Je eines wird nach 30 Minuten, das andere nach 60 Minuten aus der Lösung genommen und mit fließendem Wasser abgespült.
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- Danach lege ich je ein drittes Ei in die Lösung und lasse es ca. 4 h darin liegen.
- Im Anschluss werden die Eier dünn mit Speiseöl bestrichen und damit zum Glänzen gebracht.
Die Ergebnisse
Die Ergebnisse nach der ersten halben und ganzen Stunde in der Färbeflüssigkeit war ebenso heiß erwartet, wie ernüchternd. Besser wurde es mit längerer Einwirkzeit:
Gelb
Die gelbe Farbe des alles färbenden Kurkumas hat erst nach einiger Zeit deutlich auf das Ei abgefärbt. Nach 30 Minuten war das Ei zwar sichtbar gelb, aber alles andere als kräftig oder leuchtend gefärbt. Die doppelte Färbezeit hat zu einer deutlichen Verbesserung in der Färbung geführt, das Gelb ist kräftiger und dunkler geworden. Das 4 h-Ei ist intensiv safrangelb gefärbt, jedoch ist die Farbe ungleichmäßig, was aber einen hübschen Effekt ergibt.
Die färbenden Elemente der Flüssigkeit sammeln sich offenbar am Boden, denn alle Eier waren an der unteren Seite stärker gefärbt, als oben. Wer eine gleichmäßige Farbe erzielen möchte, muss öfter umrühren.
Die Farbe ist insbesondere bei langer Einwirkzeit sehr angenehm, leuchtend und farbtief. Sie haftet gut und reibt weder im nassen noch im trockenen Zustand ab. Auch durch das Einölen kann man sie nicht verwischen.
Ich kann Kurkuma zum Einfärben von Ostereiern empfehlen, mit einer Einschränkung: Das Zeug färbt buchstäblich alles. Von den Händen geht es kaum ab, den Edelstahltopf musste ich mit Scheuerpulver behandeln, um die letzten gelben Flecken zu entfernen. Also Vorsicht!
Rot
Die rote Farbe der Roten Beete hat sich auf das Ei übertragen, dabei aber ihre bestechende Brillianz völlig eingebüßt. Das kräftige Kardinalsrot der Wurzel und des Sudes konnte nicht auf das Ei übergehen. Das Ei ist mit einem bestenfalls kraftlosen, bräunlichen Altrosa gefärbt, dem die Brillianz weitgehend abgeht. Es gibt kaum einen Unterschied zwischen 30 und 60 Minuten Färbezeit. Auch das 4 h-Ei hat keine wesentliche Verbesserung bei der Farbe gebracht, obschon es intensiver gefärbt ist und etwas farbiger ist.
Die Farbe haftet gut, sie reibt sich weder im nassen noch im trockenen Zustand ab und wird auch durch das Einölen nicht verwischt.
Blau
Die blaue Farbe der Blaubeeren hat sich nach einer halben Stunde nur mäßig auf das Ei übertragen. Dafür ist der Farbton apart, ein sanftes, gräulich erscheinendes Himmelblau. Dieser Farbton intensiviert sich mit der Färbezeit, das „60-Minuten-Ei“ ist deutlich kräftiger gefärbt. Das 4 h-Ei ist pastellblau gefärbt und wirkt insgesamt sehr elegant.
Die Farbe haftet, wie bei den beiden anderen Farbversuchen auch, im nassen wie im trockenen Zustand sehr gut und löst sich auch nicht im Fett.
Insgesamt habe ich zwei ansehenliche Farbtöne erzeugen können, nur die Rote Beete überzeugte nicht. Eine lange Färbedauer ist für den Erfolg ausschlaggebend.

Was kostet der Spaß?
Vor dem Hintergrund der teilweise enttäuschenden Farben sind die Kosten interessant.
Die Rote Beete war am billigsten. Die Knolle hat mich im Supermarkt 19 c gekostet. Etwas teurer wären die beiden Kurkuma-Stücke gewesen, hätte sie mir der freundliche Marokkaner nicht als „Dreingabe“ für den Gemüseeinkauf geschenkt. Die Kultur-Blaubeeren schlugen mit € 1,99 zu Buche. Sie hatten mit Sicherheit auch die größten ökologischen Kosten, denn sie kamen mit dem Flugzeug aus Chile.
Im Vergleich zu „klassischen“ Eierfarben, die im Supermarkt zwischen € 2,99 und € 6,99 kosten, ist es billiger, Ostereier mit Naturfarben zu färben.
Mein Fazit:
1. Ein Einfärben von Ostereiern mit Naturfarben ist möglich. Bisher habe ich nur Rezepte für Braun, Gelb und Blaugrau gefunden, die funktionieren, aber ich bleibe am Ball. Bemerkenswert ist die Möglichkeit, die Eier im kalten Zustand zu färben. Das ist ein deutlicher Vorteil gegenüber den meisten synthetischen Farben, die man mit den Eiern kochen muss: Die bereits hartgekochten Eier kann man einfach über Nacht in den Farbsud legen. Sie haben am Morgen die gewünschte Farbe angenommen.
Die Herstellung der oben gezeigten Farbsude ist einfach, nimmt man allgemeine Problem beim Zerkleinern färbender Pflanzenteile inkauf. Da es keine giftigen oder allergieauslösende Bestandteile enthält, kann man bedenkenlos mit Kindern zusammenarbeiten.
Die Farben haften genauso gut auf den Eierschalen wie synthetische Farben, sie lassen sich nicht abreiben oder färben die Finger.
2. Ich stoße im Netz auf zahlreiche Anleitungen, wie man Ostereier mit Naturfarben schön bunt färbt. Mittlerweile muss ich mich fragen, wie viele der Anleitungen auf Erfahrung basieren und ob die Autoren sie überhaupt ausprobiert haben. Mit dem Versuch, Eier mit Chlorophyll grün zu färben, bin ich bereits vor Jahren gescheitert. Auch den Färbeversuch mit Roter Bete halte ich für gescheitert.
Die anderen Farben konnten mich überzeugen, auch wenn es andere Ergebnisse gab, als abgebildet.
Das Gelb kam der abgebildeten Farbe recht nahe, ich kann mir vorstellen, dass eine höhere Konzentration und längere Einwirkzeit das gezeigte Ergebnis ermöglicht. Das elegante Graublau, das ich mit dem alkalischen Blaubeersud erzeugt habe, gefällt mir sogar besser, als der eher „gewöhnliche“ Farbton der Zusammenstellung.
Insgesamt entsprechen aber die Farben, die ich mit Pflanzenfarbstoffen auf die Eierschale bekommen habe, weder im Farbton noch in der Sättigung den Versprechen und Anleitungen aus dem Netz. Mache ich etwas falsch oder haben die mich vereiert?