Seltener Wal in Kalifornien angespült

Normalerweise berichte ich nicht über aktuelle Ereignisse. Das können die professionellen Medien schneller, ich würde nur hinterher hinken. Warum ich es in diesem Fall dennoch mache? Zum Einen ist der Wal, Mesoplodon perrini, eine echte Besonderheit, zum Anderen war es in der letzten Zeit sehr vogellastig hier.
Ein Wal ist am 31. Mai 2019 an den Strand gespült worden. Das ist zunächst nichts besonderes. Das Ganze passierte am Scott Creek Beach, der liegt im Ort Davenport in Kalifornien, 90 km südlich von San Francisco, am nördlichen Ende der Monterey-Bucht. Diese Bucht ist sichtbarer Teil eines Unterwasser-Canyon-Systems, das nährstoffreiche Tiefenwässer in die Nähe der Küste bringt. Das zieht eine Vielzahl von Meerestieren an, so dass diese Bucht als biologischer Hotspot gilt. Hierbei sind oft auch ungewöhnliche und selten beobachtete Arten.
Der Wal ist seltsam
Bei dem Wal handelt es sich um einen zunächst nicht bestimmten Schnabelwal. Schnabelwale gelten als schlecht erforscht. Mit Längen von 4 bis 8 m gehören sie zu den wirtschaftlich nie wichtigen Kleinwalen. Nur drei oder vier Arten erreichen Längen von 10 bis 13 m, sie wurden auch bejagt und sind daher etwas besser bekannt.

Man weiß von Schnabelwalen wenig. Sie leben meist in kleinen Gruppen und meiden die Nähe von Schiffen. Durch einen flachen Rücken mit kleiner Finne und unauffälligen Blas sind sie schwer zu beobachten. Alle Arten sind Hochseebewohner. Sie fressen überwiegend Kalmare, die nicht mit dem Schnabel gegriffen, sondern einfach ins Maul eingesaugt werden. Dabei können wenigstens einzelne Arten Tauchtiefen von fast 3000 m und Tauchzeiten über 2 h erreichen. Das schaffen vermutlich selbst Pottwale nicht.
Bemerkenswert ist, dass diese Walfamilie trotz recht gleichförmiger Lebensweise und Nahrung mindestens 23 rezente Arten hervorgebracht hat. Damit ist sie nach den Delfinen die artenreichste Walfamilie. Innerhalb der Familie gibt es wiederum die für Walverhältnisse riesige Gattung Mesoplodon, die Zweizahnwale. 14 Arten sind bekannt, die letzten Arten wurden 2002 und 2014 beschrieben. Vermutlich gibt es noch mindestens eine unbeschriebene Art.
Alle diese Arten werden zwischen 3,5 und 6 m lang und unterscheiden sich hauptsächlich durch die unterschiedliche Größe und Form der Zähne – die bei Jungtieren und Weibchen oft nicht einmal sichtbar sind. Daher stellt sich die Frage, durch was diese Arten, von denen meist mehrere im gleichen Meeresabschnitt vorkommen, unterscheiden. Was hat diese starke Radiation ermöglicht bzw. gefordert?
Der seltenste der Seltenen
Relativ bald wurde der in Kalifornien gestrandete Wals als junges Männchen des Perrin-Schnabelwals, Mesoplodon perrini, identifiziert. Die Tiere werden ausgewachsen 4 bis 4,5 m lang und haben fast das kürzeste Rostrum aller Schnabelwale. Die Tiere sind am Rücken dunkel, an den Flanken und am Bauch ungewöhnlich hell, fast weiß gefärbt.
Bisher kannte man fünf Exemplare von Mesoplodon perrini. Sie waren in den Jahren 1975 bis 1997 in Kalifornien gestrandet und in der Folge Teil von Museumssammlungen geworden. Vier dieser Tiere wurden zunächst als Hector-Schnabelwal fehlbestimmt, eine Art, die dem Perrin-Schnabelwal zwar ähnlich sieht, aber nur in den gemäßigten undkalten Ozeanen der Südhalbkugel vorkommt. Den fünften Fund hielten die Forscher zunächst für einen jungen Cuvier-Schnabelwal. Aus diesen vier Männchen und einem Weibchen wurde die Art 2002 beschrieben.
Lebend, aber schwer verletzt gestrandet

Der gestrandete Wal ist also erst der sechste Wal dieser Art, der der Wissenschaft bekannt wird. Er strandete lebend, war aber schwer verletzt: Ober- und Unterkiefer waren gebrochen, teilweise stark nach oben verschoben. Wie es zu diesem Bruch kam, ist ungeklärt, vermutlich ist der Wal mit irgendetwas kollidiert. Aufgrund dieser Verletzung wurde der Wal eingeschläfert und konnte bereits am Strand untersucht werden: Er war (umgerechnet aus amerikanischen Maßen) 2,67 m lang und wog ungefähr 210 kg. Das Tier wirkt sehr schlank, etwa wie ein gleich großer Delfin, dieser hat dann auch ein ähnliches Gewicht.
Post-mortem Untersuchung
Direkt am Strand sammelten die Mitarbeiter des UCSC Long Marine Lab hunderte Gewebeproben, die an Forscher der Kalifornischen Universität in Santa Cruz und überall in der Welt gehen. Professor Robin Dunkin, Dozentin für Ökologie und Evoltionsbiologie an der Universität in Santa Cruz sowie Leiter des lokalen Meeressäuger-Strandungs-Netzwerkes ergänzt: „Das gesamte Skelett geht an die California Academy of Science. Die Gewebeproben können Wissenschaftler noch Jahrzehnte beschäftigen. Wissenschaftler sind besonders am Gehirn des Wales und der Anatomie seines Gehörsystems interessiert.“
Sonstige Beobachtungen
In der letzten Woche wurde eine ungewöhnlich große Zahl von häufigeren Baird’s Schnabelwalen in der Monterey Bay beobachtet. Dunkin’s Team war daher doppelt überrascht, als sie am Strand eine sehr viel seltenere Art vorfanden.