Ein gutes Jahr für den Kakapo

Der Kakapo ist einer der ungewöhnlichsten Papageien, die es auf der Welt gibt. Ausgewachsen misst er bis zu 60 cm und wiegt drei bis vier Kilogramm. Damit ist er auch der schwerste Papagei – und flugunfähig. Dafür ist er gut zu Fuß und nutzt seine Flügel nur zum Balancieren oder um zu bremsen, wenn er sich von Bäumen fallen lässt. Er lebte auf beiden Hauptinseln Neuseelands und bevorzugte Waldrandgebiete und junge Wälder, beispielsweise neu bewachsende Flächen nach Erdrutschen. Mit seinem grün oder gelblich gemusterten Gefieder war er in der dicken Farnschicht solcher Biotope kaum auszumachen. Meist verriet sich der nachtaktive Vogel durch seinen Geruch, der als intensiv, aber blumig oder honigartig angenehm beschrieben wird.

Foto: NZ Dept. of Conservation
Er ist ein Vogel, hat aber nichts davon
Doch auch sonst ist das Leben als Kakapo nicht einfach. Neben der Tragik, ein Vogel zu sein und nicht fliegen zu können, haben sie noch ein großes Problem im Leben. Der Balzruf, das „Boomen“ ist sehr niederfrequent. Das hat zwar den Vorteil, dass er weit trägt und die Weibchen „boomende“ Männchen weit hören können. Leider erschwert die niedrige Tonfrequenz die Ortung der Tiere. Die Weibchen wissen also, dass sich boomende Männchen im weiteren Umkreis befinden, können sie aber akustisch nicht orten. Sie haben nur die Chance, auf ihre Pfade zu treffen oder ihnen zufällig über die Füße zu laufen.
Doch Kakapos haben noch ein weiteres Problem in ihrem Sexleben. Sie sind von einer Harzeibe, die vor Ort Rimu heißt, abhängig. Dieser Baum trägt nur alle zwei bis vier Jahre Früchte, und nur in den Fruchtjahren legen Kakapos überhaupt Eier. Wie so oft bei Inselarten sind das Anpassungen an einen begrenzten Lebensraum, so dass es nicht zu einer Überpopulation kommt.
Mit den neuen Einwanderern nicht konkurrenzfähig
Auf Neuseeland gab es vor der Entdeckung durch die Maori keine bodenlebenden Landsäuger und auch sonst keine größeren Bodenraubtiere. Auch als flugunfähiger Vogel hatte der Kakapo keine Feinde. Die Maori brachten die Maori-Ratte mit, die zwar den ausgewachsenen Kakapos nichts anhaben konnte, aber Eier und Küken fraß. Schlimmer waren Katze und Hunde, die europäische Einwanderer mitbrachten. Sie fraßen sich buchstäblich durch die Kakapo-Populationen.

Foto: NZ Dept. of Conservation
1845 wurde der Kakapo anhand von Vogelbälgen beschrieben. Er wurde dadurch in Europa als Kuriosität populär und man begann in größerer Zahl die Vögel lebend für Zoos zu fangen und Bälge für Museen und Sammler zu exportieren. Die Lebendfänge überlebten oft nur wenige Tage bis Wochen, soweit bekannt, hat außerhalb Neuseelands nie ein lebenden Kakapo Land oder eine Insel gesehen. Um 1870 begann der Kakapo selten zu werden, aber anstatt das „Sammeln“ einzustellen, strengten sich die Sammler noch mehr an, um vor einem möglichen Aussterben noch an ein Exemplar zu kommen. Ähnlich verlief es beim Riesenalk, der in den 1850ern unter anderem durch Aktivitäten von Balg- und Eiersammlern ausstarb. Näheres dazu bei meinem Besuch im Naturkundemuseum Braunschweig.
Wirklich bedrohlich wurde es nach 1880, als man begann, in größerem Stil Hermeline und Wiesel auszusetzen, um die vorher ausgesetzten Kaninchen zu dezimieren. Doch die Marder dezimierten auch die einheimische Vogelwelt, insbesondere der Kakapo konnte ihnen nichts entgegensetzen.
Das Aussterben gerade noch verhindert
Ab 1891 begann man, den Kakapo zu schützen. Schnell war klar, dass das nur auf einer Insel möglich ist, die frei von Ratten, Mardern und Katzen war. Einige Versuche, ein solches Schutzgebiet einzurichten, schlugen fehl. So durchschwammen Marder eine Meerenge zwischen Hauptinsel und Schutzgebiet oder man übersah Katzen auf einer anderen Insel. Gab es in den 1940ern noch gelegentliche Sichtungen von Kakapos auf der Südinsel, war man sich 30 Jahre später nicht mehr sicher, ob sie nicht bereits ausgestorben seien.
Lage von Codfish-Island vor der Südküste der Südinsel Neuseelands
Auf Codfish-Island

Mit der Errichtung eines Kakapo-Schutzgebietes auf Codfish-Island ganz im Süden Neuseelands begann ein schleichender Erfolg. 1991 konnten zwei Jungvögel aufgezogen werden. 1995 bestand die Weltpopulation aus 50 Tieren, davon 19 Weibchen, von denen man nicht immer wusste, ob sie noch fortpflanzungsfähig waren. In den folgenden Jahren konnten die Umweltschützer der Kakapo Recovery Group herausfinden, dass die Rimu-Harzeibe eine zentrale Rolle bei der Aufzucht der Jungen spielen: Tragen sie gut, können die Kakapos ihre Küken aufziehen. Reifen die Früchte wegen schlechten Wetters nicht oder nicht ausreichend, verhungern die Küken oder die Kakapos legen gar keine Eier. Üblicherweise tragen Rimu-Bäume nur alle zwei bis vier Jahre Früchte.
Bekanntheit per Anhalter
Mitte der 1980er Jahre besuchten der Zoologe Mark Carwadine und der Schriftsteller Douglas Adams den Vorgänger der Kakapo Recovery Group und die gerade entstehenden Schutzmaßnahmen für den Kakapo. Das 1990 erschienene Buch „Die letzten ihrer Art“ berichtet davon. Douglas Adams war damals für lustige Science-Fiction und SF-Parodien wie die mehrteilige Reihe „Per Anhalter durch die Galaxis“ bekannt. Doch auch in seinen Beschreibungen der Situation der letzten Kakapos eine schwere Beklemmung an. Er beschreibt das Leben dieser Vögel sehr einfühlsam, mit all ihren tragischen Schwierigkeiten: Bei der Balz, beim Brüten und natürlich die Tragik, zwar ein Vogel zu sein, aber trotzdem zu Fuß gehen zu müssen.
Sirocco, der Spokesbird
Adams portraitiert die Arbeit der Kakapo-Schützer und die Schwierigkeit, einen Kakapo zu finden. So hat er es mit einem Kakapo-Suchhund zu tun, der nicht etwa darauf trainiert ist, Kakapos zu finden. Sie sind zu selten, als dass man mit ihnen üben könnte. Stattdessen musste der Besitzer den Hund darauf trainieren, alles, was nicht Kakapo ist, nicht zu suchen. Carwadine und er lernen auch Sirocco, den Spokesbird des Schutzprogramms kennen. Er ist 1997 geschlüpft. Da er als Küken unter einer Atemwegserkrankung litt, wurde er früh von seiner Mutter getrennt und mit der Hand aufgezogen. Hierdurch wurde er nicht nur handzahm, sondern auch fehlgeprägt. Er „boomt“ zwar normal und führt auch das komplette Balzritual aus, aber nur in Gegenwart von Menschen. Während des Besuches von Adams und Carwadine versuchte er, sich mit dem Zoologen zu paaren.
Doch gerade dieses Buch machte den Kakapo und die Schutzbemühungen der Kakapo Recovery Group weltberühmt. Der neuseeländische Staat nahm sich der Sache an, Geld war bald eher ein kleineres Problem.
Erfolgreich, aber nicht ohne Rückschläge
Seit dem Besuch von Adams und Carwadine hat sich einiges getan. Die Kakapo Recovery Group hat zwei Schutzinseln etabliert, die frei von Landsäugern sind. Nahezu jeder Vogel wird überwacht, die Weibchen bekommen zusätzliches Futter. Die Wissenschaftler hoffen, dass sie irgendwann jährlich brüten. Rückschläge gab es auch, bakterielle Infektionen töten gelegentlich einige Tiere. 2010 starb der letzte bekannte Vogel von der Südinsel im Alter von 80 Jahren eines natürlichen Todes. Er unterschied sich in der Farbe von anderen Vögeln und „boomte“ ein wenig anders.
Sirocco machte seine Arbeit als Spokesbird. Er hatte Gastauftritte in verschiedenen Zoos und Wildparks Neuseelands und bekam 2010 vom Premierminister John Key einen Botschaftertitel verliehen. Im Februar 2016 verschwand er aufgrund eines defekten Sensors im Unterholz von Codfish Island und man befürchtete schon das Schlimmste. Aber Sirocco nahm sich nur eine Auszeit. Im Februar 2018 tauchte er nach zwei Jahren in hervorragender Kondition wieder auf. Was er in dieser Zeit getan hat? Der Kakapo von Welt genießt und schweigt.

Foto: NZ Dept. of Conservation
Mit wachsenden Kenntnissen stiegen die Zahlen der Kakapos auf den Schutzinseln ständig. Vom Tiefststand 1986 mit 22 Tieren war man 1995 bei 50, im Jahr 2000 bei 62 und 2010 bei 122 Tieren angelangt. Ihren bisherigen Rekord erreichte die Population mit einer starken Brutsaison 2016, als 155 Tiere gezählt wurden.
2019 ist ein Rekordjahr
Durch den relativ warmen und trockenen Südsommer 2018/19 trugen die Rimu-Bäume dieses Jahr besonders viele Früchte. Eins der seltenen Mast-Jahre stand ins Haus. Und die Kakapos reagierten, wie erhofft. Bereits zu Weihnachten kam es zu den ersten Paarungen. Nahezu alle Weibchen paarten sich in den folgenden Wochen. Das erste Küken schlüpfte am 30. Januar, so früh, wie noch nie. Insgesamt legten die Tiere 76 befruchtete Eier.
Die Kakapo-Schützer rechnen damit, dass mindestens 60 Jungtiere bis zur Geschlechtsreife aufwachsen können. Das würde die Zahl der erwachsenen Tiere von 147 am Anfang des Jahres auf über 200 katapultieren.
Links:
ABC Neuseeland Kakapo Recovery Team