Noch etwas forensische Ornithologie

Der erste Beitrag in diesem Blog war zur forensischen Ornithologie. Vor etwas mehr als einem Jahr ist ein Hausrotschwanz vermutlich einem Turmfalken zum Opfer gefallen. Federn der Rupfung konnte ich auf dem Balkon meiner Eltern finden.
Damals konnte ich dem Vorgang nicht „wirklich“ abschließen. Ich hatte vermutet, dass das Rotschwanz-Revier im betroffenen Jahr nicht neu besetzt wurde. Das hat sich als korrekt erwiesen, im letzten Sommer gab es keinen Rotschwanz bei meinen Eltern im Garten. Dieses Jahr haben die Rotschwänze den Spieß umgedreht: Der Falke kam seit dem Sommer seltener und seit Herbst gar nicht mehr. Er hat offenbar eine andere Schlafstelle gefunden. Die Rotschwänze haben das Revier wieder besetzt – und brüten auf dem Balken, auf dem der Falke letztes Jahr schlief. Pünktlich zum 1. Mai konnten wir beobachten, wie vier Jungvögel ausflogen und auf der Wiese vor dem Haus ihre Eltern nach Futter anbettelten.
Ein neuer Fall
Wie immer kommt man völlig unbeabsichtigt an Tatorte. So auch dieses Mal. Ich war mit dem Fahrrad auf dem Weg zu einem Termin, als ich mehrere Federn am Boden liegen sah. Sie lagen auf dem Vorplatz der Kirche St. Johannes an der Kemnastraße in Bochum Wattenscheid. Die Federn waren hell- und dunkelgrau. Lage, Form und Farbe deuten eindeutig darauf hin, dass sie von einem einzelnen Vogel stammen.
Leider musste ich mich beeilen und konnte sofort keine Federn aufsammeln, aber es gab ja noch den Rückweg. Als ich eine gute Stunde später dort vorbei kam, hatte sich der Vorplatz der Kirche deutlich verändert. Einige Gemeindemitglieder hatten angefangen, Biertische und -bänke aufzubauen. Dem entsprechend erntete ich ungläubige Blicke (der Gläubigen), als ich anhielt und zwei herumliegende Federn aufsammelte.
„Du bist das Himmelbett für Tauben“
Die Größe der Federn, Farbe und Form ließen eindeutig auf eine Taube schließen. Eigentlich kein Wunder, Herbert G., der von hier ist, behauptet, dass Bochum „das Himmelbett für Tauben“ ist. Im Umkreis der Kirche habe ich gelegentlich Stadttauben gesehen, aber vor allem Ringeltauben kommen hier vor. Die halboffene Landschaft mit einzelnen großen Feldern, Hecken, gelegentlichen Beständen von alten Bäumen und Magerrasen zwischen den Siedlungen und Gewerbegebieten sagt ihnen offenbar sehr zu. Sie sind mit die auffälligsten Vögel hier.
Die Bestimmung der Federn war mittels der Federbilder von vogelfedern.de eine große Hilfe. So konnte ich das Opfer ziemlich fix identifizieren: es handelte sich um das Jungtier eine Ringeltaube, deren Flugfedern noch nicht völlig ausgewachsen waren. Herzlichen Dank an Christian Gaulke aus der FB-Gruppe zur Ornithologie in Deutschland, der meinen Verdacht bestätigt hat.
Anders als der letzte Fall
Die Rupfung des Rotschwanzes unterschied sich doch deutlich von der Taube. Beim Rotschwanz hatte der Falke die Federn kurz über der Haut mit einem spitzen Schnabel „angefasst“ und herausgezogen. Hier hat jemand die Federn kurz über der Haut abgebissen, ein kleiner Bluterguss steckte noch im Federkiel. Ein Vogel fällt also als Täter aus, obwohl ich hier bereits Sperber oder Habichte und Turmfalken beobachtet habe. Auch Wanderfalken sollen hier vorkommen, ich habe aber noch keinen getroffen.
Wieder forensische Ornithologie
Da die Federn aber abgebissen sind, kommt ein Greifvogel oder Falke als Verursacher nicht in Frage. Bleiben nur noch die Raubsäuger auf der Verdächtigenliste.
Vergleichsbilder von Rupfungen zu bekommen, ist sehr schwierig. Ein Bild einer Fuchsrupfung zeigte Federn, die wesentlich stärker zerstört und weiter oben an der Fahne abgebissen wurden. Bleiben Steinmarder und Katzen. Andere Raubsäuger als die genannten drei gibt es hier nicht. Leider endet dann auch die Suche nach dem Verursacher, ein weiteres Rätsel, das ungelöst bleibt.
Noch etwas Interessantes
Die Feder wurde mitsamt der Federscheide aus der Vogelhaut gezogen. Aus der Scheide ragt bei beiden Federn ein weiteres Stück der Fahne, das von der Scheide in die Mitte der Feder gedrückt wird. Ebenso fehlt am unteren Ende der Daunenanteil. Ich habe so etwas vorher noch nie gesehen. Vermutlich war die Feder ist noch nicht „ausgewachsen“, sie hätte noch ein paar Zentimenter länger werden können. Das hat der Räuber unterbrochen.