Besuch am Kaiserberg II: Aquarium und Rio Negro-Haus

Was vorher geschah: Besuch am Kaiserberg: Der Duisburger Zoo im Winter
So gehts weiter: Das Aquarium war in den letzten Jahren nicht gerade das Lieblingskind der Duisburger. Lange nicht renoviert, schien kein Aushängeschild mehr. Auch wenn die schlimmsten Missstände Mitte der 2000er Jahre beseitigt wurden, habe ich um 2005 herum hier immer wieder Bilder für schlechte Beispiele machen können. Dies hat sich in den letzten Jahren geändert.
Das älteste Gebäude – frisch renoviert
Bis zum Jahr 2015 haben die Duisburger das Aquarium komplett, aber sehr einfühlsam restauriert. Auch wenn das gesamte Innere des Gebäudes auf den neuesten Stand gebracht wurde, haben sie den Charakter der alten Anlage beibehalten können. Es trägt immer noch den Charme der frühen 1950er Jahre, in denen das Ruhrgebiet führend für das „Wir sind wieder wer!“-Gefühl war: Mittelgroße Becken mit hohen Scheiben, massive Ummauerungen und all überall halbe oder ganze rechte Winkel. Der Besucherbereich ist dunkel gehalten, das durch die Aquarien in den Raum fallende Licht sorgt für eine besondere Stimmung.
Zeitgemäß sind die Ummauerungen heute mit schwarzem Granit eingefasst, die Aquarientechnik auf dem neuesten Stand. Und das sieht man auch. Die Aquarien sind insgesamt in einem guten Zustand, trotz der Beckenhöhe ist die Bepflanzung oft sehr üppig. Insbesondere das Südamerika-Becken mit den obligatorischen … Halt, doch lieber von vorne.
Der erste Eindruck zählt
Kommt man durch den Aquarieneingang ins Haus, fällt der erste Blick ins neue Korallenriffbecken. Laut wikipedia soll es 22 Kubikmeter Inhalt haben, da der Blick aber von einer kurzen Seite ins Becken fällt, wirkt es viel größer. Die zahlreichen, vor allem blauen und gelben Segelseebader verschwinden in der Tiefe des Raumes (Fußballphrasen gehören im Ruhrgebiet einfach dazu!). Die unterschiedlichen Weich- und Hornkorallen sind für alle Perspektiven gut angeordnet, trotz der mehr grauen Farben fängt die Faszination dieses Beckens den Besucher ein.
Kann man sich dann loseisen, geht der Blick zur anderen Seite. Ein großes, sicher 6 m langes Paludarium ist für Chinesische Riesensalamander eingerichtet worden. Offenbar haben die aber am Wochenende frei oder sich so gut versteckt, dass ich sie nicht finden kann. Außer ein paar Drachenfischen der Gattung Zacco konnte ich jedenfalls nichts darin entdecken.
Traditionelle Aquarien
Es folgen einige Aquarien im Baustil der 50er Jahre: hoch, mäßig tief, aber meist so, dass zwei Frontscheiben einen Tank bilden. Besonders beeindruckte mich das Südamerika-Becken. Hier bilden Vallisnerien einen dichten Bestand, noch nicht so kräftig, wie der Altbestand an Riesenvallisnerien in München, aber dennoch beeindruckend. Natürlich schwimmen hier Neonsalmler und die obligatorischen Piranhas.
Das nächste Aquarium zeigt die Vielfalt der Buntbarsche aus dem Tanganijkasee. Oder versucht es zumindest. Bei der Vielzahl an Lebensräumen und Bewohnern dieses Sees wäre vermutlich ein eigenes Aquarienhaus oder zumindest eine eigene Abteilung mit mindestens zwei Handvoll Aquarien notwendig, um das zu zeigen. Attraktiv wäre es allemal, aber kaum ein Kurator wird es durchsetzen können, ein Großbecken mit 5 oder 6 m Länge, gleicher Tiefe und 2 m Wasserstand für eine Kolonie von Fadenmaulbrütern (die nur 20 cm lang werden) und anderen Planktonfressern einzurichten. Schade eigentlich.
Nahezu die doppelte Größe, nämlich über zwei Frontscheiben, verfügt das nächste Becken, ein Asien-Aquarium. Wurzelholz und Aufsitzerpflanzen prägen seinen Stil, der große Wasserfall im linken Teil des Aquariums raubt vermutlich schneller wachsenden Pflanzen das Kohlendioxid. Der Besatz ist kritikwürdig, insbesondere bei den bevorzugten Wassertemperaturen ist man einen deutlichen Kompromiss eingegangen. Das sieht man einigen Bewohnern leider auch an.
Der letzte Eindruck bleibt
Weniger Kompromisse gibt es im nächsten Becken. Ein Quallenkreisel von gut einem Meter Durchmesser hängt an der Wand. Kompassquallen hängen kopfunter in der Strömung und pumpen Wasser über ihre Tentakel. Im gedämpften Licht ein Anblick, der lange fesselt.
In der Seewasser-Abteilung haben sich die Duisburger wieder an die Tradition des Hauses erinnert. Zur Eröffnung 1951 war es sicher nicht möglich, tropische Seewasserbewohner aus den Korallenriffen zu pflegen. Aber Mittelmeerbewohner waren verfügbar und konnten mit den vorhandenen Verkehrsmitteln eine Reise bis Duisburg überstehen. So ist es kein Wunder, dass eines der Meerwasserbecken Fahnenbarsche und Wachsrosen von einer mediterranen Felsküste zeigt. Gerade das Fahnenbarsch-Männchen ist ein attraktives Tier, es zeigt deutlich, dass es nicht immer die Tropen sein müssen.
Tropisch geht es dann in den anderen Aquarien zu, hier sammeln sich auch die meisten Besucher. Auch sehr traditionell ist das „Rabaukenbecken“ mit Fischen, die normalerweise nicht in Aquarien mit lebenden Korallen gepflegt werden können. Sie sind als starke Fresser bekannt sind und verschmutzen das Wasser mit ihren Exkrementen so stark, dass es die Korallen schädigen kann. So leben Kugelfische, größere Riffbarsche und Doktorfische zur Sicherheit in einem eigenen Kreislauf.
In den Tunnel
Der Übergang zum Rio-Negro-Haus aus dem Jahre 2007 ist als unterirdischer Gang gestaltet. Anders als bei den meisten „Höhlen“ bildet aber nicht Kunstfels die Basis. Ein tropischer Boden ist nachgebildet, ausgebleichte Laterit-Erde mit einzelnen Findlingslagen und Steinbauten „einer früheren Zivilisation“. Zwischendrin große Infoplakate mit lesenswerten Infos, die aber kaum einer liest: Die Kinder zieht es zum Rio Negro, weil man dort klettern kann, die Eltern rennen hinterher, nicht, dass das Kind ins Delfinbecken springt oder von einer Riesenschlange gefressen wird.
Die Gefahr besteht nicht, auch wenn das Delfinbecken oben offen ist. Delfinbecken? Ja, hier zieht der einzige Amazonas-Delfin außerhalb Südamerikas seine Bahnen. Theoretisch müsste es das einsamste Tier der Welt sein, mehr als 7500 km trennen ihn von seinen Artgenossen. Praktisch stört es ihn aber nicht, alte Männchen der Amazonasdelfine sind meist Einzelgänger und als ich da war, war er völlig ins Spiel mit einem etwa handlangen Fisch vertieft. Sicher wäre es spannend gewesen, die Geräusche des Echolot-Ortungssystems des Tieres zu hören oder sehen.
Nicht, dass der Fisch seine Freude am Spiel gehabt hätte, seine Rolle beschränkte sich darauf, am Anfang heldenhaft, aber erfolglos zu flüchten und am Ende lecker zu schmecken.
Ob er ausgeht?
Sollte das Spiel nicht ausreichend Unterhaltung bieten, hat der Delfin ja noch eine Option. In Südamerika sprechen die Dorfbewohner davon, dass sich Delfinmännchen nachts in attraktive junge Männer verwandeln können, die dann gerne auf Dorffeste gehen. Dort tanzen sie sehr gut, essen und trinken und sicher ist auch die ein oder andere junge Dame nicht abgeneigt. So entstehen „Delfinkinder“. In Duisburg gibt es sicher eine ganze Reihe von Möglichkeiten, zu tanzen, essen und trinken und junge Frauen zu treffen. Ob er dabei auch den traditionellen Hut trägt, um die Atemöffnung auf dem Kopf zu verdecken? Bei dem Wetter ist das sicher angenehm warm.
Der Duisburger Delfin gehört der Art Inia geoffrensis an. Er ist der letzte von 5 Tieren, die 1975 von den Duisburgern aus Venezuela importiert wurden. Da er als Jungtier importiert wurde, geht man von einem Alter um die 45 Jahre aus, was sicher fast am oberen Ende dessen liegt, was ein solcher Kleinwal schaffen kann. Bei jedem Besuch rechne ich damit, dass es der letzte Besuch sein könnte. Wie die Anlage mit der über acht Meter langen, geschwungenen Plexiglasscheibe danach umgegangen wird, wurde bisher nur gerüchteweise kommuniziert. Krokodile unterzubringen erscheint zu trivial, zumal die Scheibe nicht hoch genug ist, um einen Sprung in den Zuschauerraum zu unterbinden. Ebenso fehlt der notwendige Landteil in der Anlage. Möglicherweise wären Amazonas-Manatis oder das noch unbeschriebene Zwergmanati aus dem Rio Aripuanã ein interessanter Besatz.
Weitere Bewohner
Gegenüber in einem kleinen Gehege saß ein Flachlandpaka und knabberte am Gemüse in seinem Futternapf. Die frei laufenden Affen und Faultiere ließen sich – sicher auch wegen des hohen Besucheraufkommens – nicht blicken.
Doch der Delfin ist nicht der letzte große Amazonas-Bewohner, der mir über den Weg lief. Vor dem Aquarium ist ein Freigehege mit Wassergraben und der Wassergraben ist Heimat für mehrere südamerikanische Riesenotter. Lupos del Rio, Flusswölfe werden sie genannt, und so wirkten sie auch. Verglichen mit den Zwergottern oder dem heimischen Fischotter wirken sie grotesk groß – und sie bewegen sich genauso geschmeidig wie die bekannteren Verwandten. Im Moment war aber wenig Action angesagt, sondern Abendessen. Es gab Forelle.
Fazit: insgesamt haben die Duisburger ihr Aquarium sehr einfühlsam renoviert. Vieles, was früher problematisch war, haben sie deutlich verbessern können. An einigen Details sieht man allerdings, dass das Aquarium immer noch nicht das liebste Kind im Zoo ist.
Insgesamt habe ich einen guten Eindruck vom Duisburger Zoo. War er früher ein Negativbeispiel für die „Sammel-Ära“, in der man den Wert eines Zoos vor allem an der Artenzahl und der Einzigartigkeit der Tiere bemaß, so hat er sich heute deutlich davon emanzipiert. Die Anzahl der gehaltenen Arten sank seit den 1980ern beständig, aber die Haltungsbedingungen verbesserten sich im gleichen Maße. Highlights wie die Fossa- oder Koala-Haltung, neue Gehege für Luchse, Tiger und Kragenbären sind Symptome hierfür. Man hat heute den Eindruck, der Zoo würde die letzten nicht mehr zeitgemäßen Anlagen lieber heute als morgen abreißen und durch moderne Neubauten ersetzen.
Bei einem kann man sicher sein: Egal was sie bauen werden, es wird innovativ werden, ebenso können wir mit neuen Tieren und Formen der Haltung und Präsentation rechnen. Es bleibt spannend.