Wieso ein Dino-Detektor nicht funktioniert

In einer der Schlüsselszenen im ersten Teil von Jurassic Park zeigt Regisseur Steven Spielberg seine Brillianz, wenn es darum geht, Spannung aus dem Nichts aufzubauen. Die beiden Kinder sitzen zusammen mit dem feigen Anwalt Donald Gennaro im Auto, wegen des Stromausfalls geht nichts mehr. Regen prasselt so stark auf die Scheiben, dass die Außenwelt nicht zu erkennen ist. Auf einmal bemerkt eins der Kinder „Spürst du das?“ und deutet auf zwei Plastikbecher mit Wasser, in denen auf einmal Wellen entstehen. Die Wellen werden stärker und ein Bass kündigt ihn an, lange bevor er aus dem Dickicht bricht: den Tyrannosaurus rex.

Was sagt die Theorie zum Dino-Detektor?
Steven Spielberg hat mit den Wasserwellen im Glas ein Mem geschaffen, das Spannung aufbaut und gleichzeitig die Ankunft von etwas Großem, Bedrohlichen ankündigt. Doch wird ein Tyrannosaurus tatsächlich den Boden so zum Beben bringen, dass man seine Schritte im Wasserglas bemerken kann? Funktioniert der Spielberg’sche Dino-Detektor?
Wir brauchen Daten!
Um mit der Theorie anzufangen, muss ich einige Daten zusammenbringen: es gibt etwa 30 Funde von Tyrannosaurus rex, er ist damit relativ gut dokumentiert. Die meisten Funde stammen von sehr großen Tieren, warum das so ist, ist nicht Teil dieses Blogposts. Diese Tatsache lässt mich aber annehmen, dass die größten gefundenen Exemplare nahe an die Maximalgröße der Art heranreichten. „Sue“ (FMNH PR 2081, Field Museum of Chicago) erreichte je nach Interpretation eine Länge von gut 12 m oder knapp 13 m. Sue ist damit der größte bekannte Tyrannosaurus rex.

Die Interpretation des Gewichtes lässt mehr Spielraum zu. Es steigt in der dritten Potenz mit der Länge, ein mehr an Muskeln, Bindegewebe, und Fett lässt das Tier direkt viel schwerer werden. So geht man bei einem ausgewachsenen T. rex heute von etwa 6 bis 7 t Lebendgewicht aus, mit Extremen bei 4,5 t am einen und 9,5 t am anderen Ende der Skala.
Der Tyrannosaurus aus Jurassic Park ist laut Buch und Film noch nicht ausgewachsen, so dass ich von 4,5 t ausgehe.
Auf die Füße geschaut
Tyrannosaurier liefen, wie alle Theropoden auf den Hinterbeinen. Der Fuß war charakteristisch gebaut, die erste Zehe (analog der Großzehe beim Menschen) war reduziert und berührte den Boden nicht. Die Zehen 2 bis 4 bildeten den Laufapparat: mehr oder weniger gleich lang und nach vorne gerichtet. Auch die Zahl der Zehenglieder war charakteristisch. Die letzte, fünfte Zehe war wiederum stark reduziert.
Die Mittelfußknochen lagen eng aneinander, möglicherweise waren sie über nicht erhaltenen Knorpel oder Bänder fest miteinander verbunden. Die drei Laufzehen standen so, dass sie beim unbelasteten Fuß zusammengelegt wurden, ähnlich wie man das heute noch bei bestimmten Vögeln beobachten kann. Wurde der Fuß belastet, spreizten die Zehen weiter auseinander und die Zehengelenke wurden stärker gestreckt. So konnte bereits in der Aufsetzphase des Fußes ein stetig wachsender Teil des Gewichts aufgefangen werden, ein weiches Aufsetzen. Ein zusätzliches, großes flexibles Polster, wie man es vom rezenten Elefantenfuß kennt, scheint es nicht gegeben zu sein. In Fußabdrücken ist nichts dergleichen sichtbar. Jedoch könnten die einzelnen Zehen unten ein kleines Polster getragen haben.
Leider hatte mein persönlicher Tyrannosaurus während des Verfassens dieses Artikels gerade Ausgang. So konnte ich nicht nachmessen, über wie viel Strecke das weiche Aufsetzen eines Fußes erfolgte. Schade, die Bremsbeschleunigung wäre interessant gewesen, auch für die Abschätzung einer möglichen Laufgeschwindigkeit der Jäger.
Was wäre wenn… hartes Aufsetzen
Geht man davon aus, dass Tyrannosaurus rex steifbeinig lief, wie ein Schreitroboter der ersten Generation, ergeben sich einige andere Optionen. Zunächst einmal: Es sähe bescheuert aus. Das ist nicht unbedingt eine wissenschaftliche Beschreibung einer Beobachtung, aber trotzdem alles andere als unwissenschaftlich. Wir sind alle mit der Fortbewegung von Tieren vertraut. Wir sehen täglich, wie Menschen, Hunde, Katzen, vielleicht auch Kühe oder Pferde laufen. Dabei merken wir instinktiv, ob ein Tier „rund“ läuft oder hinkt oder lahmt. Das folgende Video zeigt ein Modell eines Tyrannosauriers, das sehr hart auftritt, es wirkt unnatürlich auf uns:
Die Konsequenz ist zunächst für den Körper eindeutig: ein solcher, steifer T. rex hätte vermutlich kaum die Stöße abfangen können, die beim Aufsetzen eines Fußes entstehen. Wie hoch ist die Belastung auf den Knien und im Fersengelenk, im Schritt und bei höheren Geschwindigkeiten?
Kein Wunder, dass so ein Modell nur sehr geringe Höchstgeschwindigkeiten erlaubt.
Der Fasan und der Dinosaurier
Doch nicht nur die Füße fangen die Masse eines laufenden Tyrannosauriers auf. Beinmuskeln spielen technisch als Sekundärfederung eine große Rolle, aber der Rest des Körpers dämpft jeden Schritt. Die waagerechte Wirbelsäule federt wie ein Stab aus Federstahl. Bei modernen Vögeln wird im Laufen nur der Kopf ruhig gehalten, der Rest des Körpers federt die Laufbewegung ab.
Wie so oft kommen solche Erkenntnisse, wenn man am wenigsten daran denkt. Guido, der Freund einer guten Freundin von mir ist Automechaniker. Als wir vor ein paar Wochen abends auf dem Weg zu einem Restaurant waren, sind wir an einem Feldrand einer Gruppe Fasanen begegnet. Die Tiere ließen uns typisch dicht herankommen, um dann im gemäßigten Lauf auf der anderen Seite des Feldweges im Gebüsch zu verschwinden. Einer der Fasanenhähne überquerte dabei beide tief ausgefahrenen Radspuren des Weges. Sein Körper glich die unterschiedlichen Höhen des Geländes aus. Der Kopf blieb immer ruhig auf der gleichen Höhe. Guido kommentierte das mit den Worten „Geiles Fahrwerk, voll abgefedert!“

„Ein geiles Fahrgestell“
Diese Voll-Abfederung dürfte bei einem 1,5 kg schweren Fasan einfacher sein, als bei einem 3000 mal schwereren Tyrannosaurus. Aber der Fasan gefiel mir als Modell, weil er eine recht ähnliche Körperhaltung aufweist, wie sie ein Tyrannosaurus hatte. Gerade beim Laufen hält er den Kopf nicht viel höher, als die Hüfte, nach vorne gestreckt und hinten durch den Schwanz stabilisiert.
Andererseits hat der Fasan durch die schwere Flugmuskulatur ein schlechteres Laufmuskulatur – Gewichtsverhältnis. Eine Spekulation, die man 65 Millionen Jahre weiter führen könnte.
Was sagt die Ökologie?

Man stelle sich nun einen Tyrannosaurus rex vor, der steifbeinig wie im Video herumläuft. Nicht in einer mathematischen Ebene mit rechtwinkeligen Linien, sondern in seinem Lebensraum am Ende der Kreidezeit: In einem Galeriewald aus riesigen Redwoods, aber auch Ahorn, Eiche und Walnuss verbirgt sich der Raubsaurier. Von hier hat er eine hervorragende Sicht auf eine der großen Grassteppen, die von zahlreichen Pflanzenfressern besiedelt sind. Hadrosaurier und Ceratopsier überquerten diese Ebenen notgedrungen. Sie suchen am Waldrand nach Pflanzen, mit denen ihr Verdauungssystem mehr anfangen kann, als mit Gras.
Doch das dichte Gebüsch aus Farnen und moderneren Blütenpflanzen, auf die sie es abgesehen haben, ist gleichzeitig ein großes Problem. Es ist für sie kaum zu durchschauen, nur wenige Meter entfernt könnte ein Raubsaurier lauern, sie sähen ihn nicht. Riechen können sie ihn, aber die ganze Gegend riecht nach Raubsauriern und der Wind ist im Wald eine unsichere Größe. Die Herde ist unruhig, aber letztlich treibt der Hunger sie an den Waldrand. An den Waldrand und vors Maul eines hungrigen Tyrannosaurus. Keine hundert Meter entfernt hat das Tier in der Kühle des Waldes geruht. Die Geräusche der ankommenden Herde haben seine Aufmerksamkeit geweckt. So weit liest es sich, wie der Beginn einer gewöhnlichen Beutejagd.
Eingebauter Dino-Detektor
Doch jetzt staksen 6 t Lebendgewicht so steifbeinig durch den Wald, so dass jede Pfützenoberfläche im Umkreis von 200 m vibriert. Die Sinne der Hadrosaurier und Ceratopsier sind scharf genug, um diese besondere Schwingung selbst dann zu spüren, wenn sie in einer Herde unterwegs sind. Und diese Herde wird schlagartig kehrt machen und soweit in die Ebene flüchten, dass ein steifbeiniger Prädator keine Gefahr mehr darstellt. Da lohnt es sich für den Tyrannosaurus nicht einmal, hinterherzubrüllen (ein häufiger Fehler in Dokus: die Tiere brüllen bei jeder Gelegenheit).
Wäre ein Tyrannosaurus so herum gelaufen, jedes Beutetier hätte seinen Dino-Detektor dabei gehabt. Die Tyrannosaurier wären viel früher ausgestorben, anstatt am Ende der Kreidezeit eine Blütezeit zu erleben.
Ein modernes Äquivalent?

Es gibt nur eine rezente Tiergruppe, die im Versuch mit einem 4,5 t schweren Tyrannosaurier mithalten könnten: Elefanten. Ob Asiaten oder Afrikaner ist egal, nur groß müssen sie sein. 4,5 t sind auch bei afrikanischen Elefantenkühen kaum zu erreichen, für einen asiatischen Bullen ist das die obere Gewichtsklasse. Bindu aus Köln erreicht sie, mag aber Menschen nicht ganz so gerne in seiner Nähe.
Folglich bleiben die afrikanischen Elefanten aus Wuppertal. Also begab ich mich in die bergische Metropole und dort in den Zoo. Ich hatte mehrere Flaschen mit Wasser als Dino-Detektor mit, um sie in der Nähe der Elefanten zu platzieren. Doch das stellte sich als schwierig heraus. Im Elefantenhaus kommt man nicht näher als etwa 10 m an die Tiere heran. Der Besucherraum steht auf einer anderen Bodenplatte, wie der Elefantenbereich: Elefanten spüren Vibrationen durch ihre Fußsohlen und sind da sehr empfindlich!
Ein weiteres Problem: Elefanten sind intelligent und damit an ihrer Umwelt interessiert. Sobald eine halb gefüllte Wasserflasche oder ein Wasserglas in die Reichweite eines Rüssels gerät, wird sie garantiert untersucht. Die Wasserfläche wird dabei kaum unruhiger als ein Wirbelsturm werden.
Der Dino-Detektor in der Praxis
Andererseits war das gar nicht notwendig. Bereits in der Außenanlage spielte ein halbwüchsiges Tier in der Nähe einiger Pfützen. Siehe da, die Oberfläche war – bewegt. Aber nicht durch die Schallwellen, die das Aufsetzen der Füße machte. Wind strich über die Oberflächen und bei jeder Bewegung fielen Sandkröner von der Haut des Tieres.
Noch besser war die Situation im Elefantenhaus. Auf der selben Bodenplatte wie der Aufenthaltsbereich der Elefanten liegt ein Badebecken. Obwohl einige große Elefantenkühe um das Becken herumstanden und sich langsam bewegten, blieb die Oberfläche vollständig ruhig.
