Ein Besuch im „neuen“ Aquazoo, Teil 2

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Wie bereits im ersten Teil angekündigt, werde ich mich im zweiten Teil mit den Abteilungen Süßwasser, Terraristik und Insektarium befassen. Alle diese Bereiche entsprechen moderner Zootierhaltung, jedoch sind sie nicht so spektakulär wie der Meerwasserbereich. Dennoch – oder gerade deswegen gibt es einiges zu entdecken.

Nach ich eine Woche Pause zum Launch eines anderen Projektes gemacht habe, bin ich jetzt wieder da. Wie versprochen geht es wieder in das Löbbecke-Museum, den Aquazoo Düsseldorf.

Das Süßwasser beginnt unspektakulär

Aquarium mit Tequila-Kärpflingen - erst auf den zweiten Blick ein Donnerschlag
Aquarium mit Tequila-Kärpflingen – erst auf den zweiten Blick ein Donnerschlag

Fluoreszierende Korallen und ein Blick in ein 8 m tiefes Ozeanbecken: so spektakulär der Meerwasserbereich endet, so unspektakulär, ja privat beginnt der Süßwasserbereich. Ein Winkel führt in einen neuen Gebäudeteil, über eine Treppe kommt man etwa ein Viertel Stockwerk höher. Insgesamt wird die Umgebung heller. Das Licht, das wie ein Streifen aus der abgehängten Decke fällt, ist nicht mehr tiefblau, sondern türkiesfarben blaugrün. Das erste Aquarium, das man zu sehen bekommt, könnte von den Ausmaßen in einem deutschen Wohnzimmer stehen, ohne als übermäßig groß ins Auge zu fallen. So ähnlich ist es auch eingerichtet, ein Mix aus handelsüblichen Aquarienpflanzen, Holz und Steinen. Die Fische, die darin herumschwimmen sind auch nicht sehr spektak… Mooooment! Das ist doch der Tequila-Kärpfling Zoogeneticus tequila, ein Tier, das in einem einzigen Flußsystem im Westen Mexicos vorkam und heute nur noch in wenigen Aquarien gepflegt wird. Wenn man schon klein anfängt, dann mit einem kleinen Donnerschlag.

An der gegenüberliegenden Wand gibt es die Möglichkeit, Leitwerte verschiedener Wässer zu messen und sie mit der Menge an gelösten Salzen zu vergleichen. Eine schöne Möglichkeit, zu erklären, wieso Süßwässer so verschieden sein können.

Kleine und mittelgroße Fische

Durch die für Zooverhältnisse relativ kleinen Aquarien – es gibt drei Standardmaße von 350 Litern, 1100 Litern und 2200 Litern – ist man gezwungen, auf relativ kleine Fische zurück zu greifen. Dennoch ist der Aquazoo Düsseldorf in der Lage, nicht nur sehr interessante und ansehnliche Tiere zu zeigen. Mit diesen Tieren kann man auch die unterschiedlichen „pädagogischen“ Funktionen sehr gut darstellen. So kann man zahlreiche Süßwasser-Lebensräume und deren spezialisierte Bewohner in den Aquarien darstellen, ohne den Maßstäben guter Tierhaltung untreu zu werden.

Einige der Fische kennt man aus dem Aquarienhandel, wobei die Frage offen bleibt, ob sie nicht zunächst hier und dann im Handel zu finden waren. Andere Kleinfische, die sicher für den Handel interessant sind, habe ich hier das erste Mal gesehen.

Einige Arten werden hier seit Jahrzehnten gepflegt, oft in lange erprobten Vergesellschaftungen. Auffällig ist jedoch, dass die Pflegerinnen und Pfleger im tropischen Süßwasser versuchen, einen eigenen Einrichtungsstil zu entwickeln. Sie arbeiten viel mit glattem Moorkienholz, das sie mit Aufsitzerpflanzen besetzen. Neben den üblichen Blattpflanzen finden auch Moose breite Anwendung, sicher eine Anleihe aus dem Aquascaping.

Mut zu Neuerungen

Eine Anleihe aus der Zeit vor dem Umbau ist ein geschätzt etwa 10 m³ großes Aquarium, in dem früher Störartige ihre Runden zogen. Zum Glück haben diese groß werdenden Tiere eine andere Unterkunft gefunden. Doch nun stand man vor dem Problem, was man mit einem hohen Aquarium mit kleiner Grundfläche tun soll. Die klassische Wahl wäre sicher eine Dekoration aus Wurzeln und ein Besatz mit Bewohnern tieferer Regenwaldgewässer Südamerikas gewesen. Das wäre am Ende auf eine Skalar-Erdfresser-Salmler-Gemeinschaft herausgelaufen, eine häufig gezeigte und daher langweilige Kombination.

Statt dessen waren die Düsseldorfer so mutig und haben das Aquarium als Geröll-Biotop des Malawisees eingerichtet. Ob Basalt das richtige Gestein ist, vermag ich nicht zu beurteilen, aber die blauen und gelben Fische wirken vor den schwarzen Steinen und der schwarzen Rückwand einfach unglaublich. Hier kann man sehen, warum man sie auch als Süßwasser-Korallenfische bezeichnet(e): die Farben kommen dem tropischen Seewasser in nichts nach!

Landschaftsaquarien, weiter gedacht

In der Mitte des Süßwasser-Segmentes bildet ein kleines Tropenhaus den Rahmen für größere Landschaftsaquarien. Direkt das erste begrüßt den Besucher nach der Treppe, mit den obligatorischen Piranhas. Offenbar kommt kein öffentliches Aquarium (das tropisches Süßwasser führt) ohne diese Tiere aus. Nervenkitzel und Abenteuer, die bei ihrem Namen mitschwingen, sind doch zu stark.

In einem zweiten Becken zieht ein Schwarm südamerikanischer Scheibensalmler der Gattung Myleus und Metynnis seine Runden. Neben diesen Blickfängern treiben sich aber noch andere Fische in dem Aquarium herum. Der geübte Blick erkennt Cichla temensis, einen wunderschönen, leider riesig groß werdenden Buntbarsch. Dazu einige kleiner bleibende Buntbarsche, deren Kaliber aber auch außerhalb der Heimaquaristik liegt.
Im Luftraum über dem Aquarium, dessen Wasserstand etwa bei 1,2 m liegen mag, wachsen Stauden und Bäume des tropischen Regenwaldes. Laut Beschriftung hat man die Chance, das ein oder andere freilaufende Reptil und freifliegende Vögel zu sehen. Mir war dieses Glück noch nie hold.

Leider haben diese tollen Aquarien einen gewaltigen Nachteil: durch sie fällt eine Menge unkontrollierbares Tageslicht in den Besucherbereich. Dadurch ergeben sich Spiegelungen in den Scheiben, die das Fotografieren erschweren.

Das Süßwasser-Panorama-Aquarium

Einer der absoluten Höhepunkte des Hauses ist das Süßwasser-Panoramabecken. Wie im Seewasser umgibt es den Besucher in einem 3/4 – Kreis, aber als Bach mit tropisch-üppiger Bepflanzung. Irland soll sieben Grüntöne haben, die Eifel rühmt sich deren Acht, dieses Becken hat ein Vielfaches davon. Unzählige Arten von Wasserpflanzen ringen in allen Formen und Grüntönen um die Aufmerksamkeit des Besuchers, ein traumhafter Ort, die Seele im Grün schwelgen zu lassen.

Eindruck des Süßwasser-Panoramebeckens von außen
Eindruck des Süßwasser-Panoramebeckens von außen

Dass in diesem Aquarium auch Fische schwimmen, fällt erst später auf. Auch hier merkt man den mitdenkenden Kurator: Die Düsseldorfer haben nicht irgendwelche bunten Fische aus dem Zoohandel eingesetzt. Das hätte die subtile Wirkung des Aquariums einem kurzfristigen „Wow“-Effekt geopfert –  davon leben andere Aquarienhäuser, hier hat man es nicht nötig.

Wie in den meisten südamerikanischen Flüssen dominieren auch hier Salmler das Bild. Ich konnte sieben Arten zählen, bekannte Fische wie den Kaisersalmler oder den Blauen Perusalmler, zwei Moenkhausia-Arten und… ach, fahrt doch selbst vorbei!

So schön dieses Becken wirkt, so begehrt war es in der Vergangenheit für die Verhaltensforschung. Der erste Direktor des Hauses im Nordpark, Dr. Zahn, untersuchte Verhaltensunterschiede zwischen Nachzuchttieren und Wildfängen. Ein Hauptaugenmerk richtete er dabei auf das Schwarmverhalten mit und ohne Räuberdruck. So konnten spektakuläre Hechtsalmler und Skalare als Feindfische in diesem Aquarium gezeigt werden. Ob verwertbare Ergebnisse heraus kamen, entzieht sich meiner Kenntnis.

Ebenso war dieses Aquarium teilweise für den Besucherverkehr gesperrt, als man es für die Nach- oder Aufzucht des Maifisches herangezogen hatte. Der einheimische Wanderfisch konnte zwischenzeitlich auch wegen dieses Projektes wieder im Rhein heimisch werden.

Einheimische Fische

Apropos einheimische Fische: die letzte Wabe der Süßwasserabteilung befasst sich mit einheimischen Fischen. Trotz der Restriktionen der eher kleinen Aquarien kann hier einiges gezeigt werden. Der etwa Unterarm-lange Hecht ist sicher noch kein kapitales Tier, aber ohne Narben, Blessuren oder Verwachsungen einer der schönsten Hechte, die ich bisher in Aquarien gesehen habe.

Der Frühling machte sich in zahlreichen Aquarien bemerkbar. Unter den Neozoen begann ein Sonnenbarsch, eine Laichgrube auszuheben, in wunderschönen Farben. Die wunderschönen Farben hatten auch die Elritzen-Männchen aufgelegt, zudem zeigten sie ihre Laichbuckel auf dem Kopf. Unter Aquarianern gibt es das Vorurteil, einheimische Fische seien langweilig und so farbig, dass man mit ihnen 50 Shades of Gray, aber sonst nichts darstellen könnte. Die Aquarien des Aquazoos sprechen da eine andere Sprache.

Der Übergang zum Landleben

Ähnlich wie die Natur hat auch der Aquazoo den Übergang zum Landleben allmählich gestaltet. Im letzten großen Landschaftsaquarium leben Schlammspringer in einem Mangrovenwald. Wobei von Wald noch nicht die Rede sein kann, die Mangrovenpflanzen brauchen hierzu noch einige Zeit. Bemerkenswert ist, dass man hier wieder echte Mangroven pflegt. Die Pflanzen sind zwar authentisch, aber haben pflegerisch einige Nachteile: sie wachsen sehr langsam, selbst unter optimalen Bedingungen. Hinzu kommt das Gerücht, eine Rote Mangrove habe mit ihrer Wurzel das Betonbecken durchschlagen und sei eine Etage darunter in der Futterküche wieder herausgekommen. Ob das stimmt, kann ich nicht beurteilen.

Jedenfalls führt der Weg aus dem Wasser aufs Land eine weitere kurze Treppe hinauf (an allen Treppen gibt es für Rollstuhlfahrer Aufzüge). Da zum zivilisierten Landleben ein Picknick gehört, wäre hier ein Cafe toll. Dieses gibt es im Aquazoo leider nicht, dafür bekommt man einen tollen Blick auf den Landbereich des Pinguin-Geheges. Hier kann man sich tatsächlich hinsetzen und ein wenig Pause machen. Ein heimlicher Schluck aus der Wasserflasche ist sicher auch möglich, aber mehr nicht, eigentlich ist Essen und Trinken im Haus verboten.

Groß oder klein?

Nach der (unerlaubten) Stärkung kann man sich entscheiden: geht man links in die Tropenhalle, um auf einem Steg über dem rauschenden Krokodilfluss Dschungelklima zu genießen, tropische Stauden und Bäume von Kaffee über Banane bis Kakao zu betrachten. Der ein oder andere Schmetterling rundet das Bild der Tropenhalle ab. Oder geht man rechts ins Insektarium, wo die kleineren Raubtiere warten.

Ich entschied mich zunächst für den Weg ins Insektarium und wurde nicht enttäuscht. Die wunderschönen Seidenspinnen (so lange schön, wie sie hinter Glas sind) sind immer noch da. Ebenso verschiedene andere spektakuläre Krabbeltiere, die bei vielen Besuchern wohliges Kribbeln erzeugten. Mein Höhepunkt hier sind die grünglänzenden Juwelwespen. Ihr Gehege haben die Düsseldorfer während des Umbaus deutlich vergrößert, so dass die aktiven Tiere noch attraktiver gezeigt werden können. Die etwa 2 cm langen Tiere jagen Großschaben der Gattung Periplaneta, die ein Vielfaches ihres Gewichtes haben können, betäuben sie mit einem Stich und bringen sie in selbst gegrabene Bruthöhlen. Dort legt sie ein Ei auf die lebende Schabe. Die Larve frisst binnen einer Woche die Schabe auf und verpuppt sich innerhalb des Wirtstieres. Leider sind diese Tiere territorial und benötigen zu wenige Schaben, um sinnvoll als biologische Schädlingsbekämpfer zu arbeiten.

Leider hat mich etwa an diesem Punkt die Konzentration und Kraft verlassen, so dass ich den Rest des Hauses mehr oder weniger im Schnelldurchgang begutachtet habe. Bei einem weiteren Besuch, der sicher bald statt findet, werde ich die Meerwasserabteilung links liegen lassen und direkt im Süßwasser beginnen.

Fazit

Das Aquazoo Löbbecke Museum, so die (derzeitige) Eigenbezeichung, ist erst recht nach den Renovierungsarbeiten einen Besuch wert. Ja, sogar mehr, denn mit einem einzigen Besuch kann man die Vielfalt der Ausstellung kaum erfassen. Es gibt spektakuläre Highlights, aber auch versteckte Höhepunkte, die man sich erst suchen muss.

Das Haus ist Anfang der 1980er Jahre geplant, es stellt einen direkten Nachfolger des konzeptionell etwa 15 Jahre älteren Kölner Aquariums am Zoo dar. Man sieht diesen Fortschritt in vielen Bereichen, in einigen war man bei Eröffnung führend in der Welt. Kein Wunder, dass der Eigenname „Aquazoo“ ein Gattungsbegriff für große Schauaquarien wurde. Die hier gemachten Erfahrungen wurden schnell für die Konzeption anderer Häuser aufgegriffen. Man sieht sie unter anderem im Aquarienhaus im Wiener Tierpark Schönbrunn, aber auch in Wilhelmshaven und auf Sylt.

Nachteilig für den Aquazoo Düsseldorf ist die geringe Flexibilität des Gebäudes, eine Anpassung an weltweite Standards in Sachen Aquariengrößen ist im derzeitigen Haus unmöglich. Ein Anbau erscheint aufgrund der Lage schwer realisierbar. Doch die Kuratoren schaffen es, mit viel kreativer Energie die Nachteile in Vorteile umzuwandeln. Anders als bei vielen kommerziellen Schauaquarien erfordert dies vom Besucher zum Teil, sich sein Staunen selbst zu erarbeiten. Ein „BOAH!“ auf den ersten Blick gibt es selten, dafür bleibt die Spannung lange erhalten – man muss sich nur drauf einlassen.

Ich bin begeistert!

Löbbecke Museum und Aquazoo bei schlechtem Wetter
im „schönsten rheinischen Frühling“ erhebt sich das Löbbecke-Museum wie ein futuristisches Ufo vor mir

Basisdaten:

Löbbecke Museum & Aquazoo Düsseldorf

Website des Aquazoos mit weiteren Informationen

Eintritt: Erwachsene € 9,-/ Kinder € 5,-

Besuchsdauer etwa eine bis drei Stunden, je nach Interesse und Besucherdichte. Ich empfehle die Anreise mit der Straßenbahn, die am Eingang des Nordparks hält. Wer mit dem Auto kommt, kann auf der Kaiserswerther Straße kostenlos parken, der Parkplatz vor dem Haus ist kostenpflichtig.

Wenn man schon einmal da ist, lohnt sich bei halbwegs gutem Wetter ein Spaziergang im Park. Neben den strengen Elementen der 30er-Jahre-Architektur finden sich auch freiere Zonen. Der japanische Garten ist Treffpunkt einer großen Manga- und Cosplay-Szene geworden, oft trifft man hier entsprechend gewandete Fans. Die vielen alten Bäume und Wasserflächen sind für Vögel attraktiv, auch für seltene Arten und ungewöhnliche Neubürger…


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