Ein Besuch im „neuen“ Aquazoo, Teil 1

Pterapogon kauderni zwischen Kupferanemonen
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Löbbecke Museum und Aquazoo bei schlechtem Wetter
im „schönsten rheinischen Frühling“ erhebt sich das Löbbecke-Museum wie ein futuristisches Ufo vor mir

Typisch rheinisches Frühlingswetter umfängt mich, als ich mich auf die letzten 200 m vom Auto zum Löbbecke-Museum und Aquazoo mache. Mit anderen Worten: ruppiger Wind zerrt an meinen Haaren, treibt mir Nieselregen ins Gesicht und vor allem auf die Brille. Die tiefliegenden Wolken haben fast dieselbe Farbe wie die graue Granitfassade des immer noch avantgardistisch wirkenden Gebäudes. Der Lärm landender Flugzeuge zeigt die Nähe des Düsseldorfer Flughafens, doch durch die Wolken sieht man sie nicht. Insgesamt ein Wetter, bei dem gerne drinnen bleibt – und genau das habe ich vor.

 

Ein traditionsreiches Haus

Die Wurzeln des Aquazoos reichen auf die Naturaliensammlung des Apothekers Theodor Löbbecke zurück. Er sammelte im 19. Jahrhundert vor allem „Conchilien“, wie man es damals nannte: Schalen von Muscheln, Schnecken und anderen schalentragenden Tieren. 1904 wurde mit dieser Sammlung das erste „Löbbecke-Museum“ in Düsseldorf eröffnet.
Das Löbbecke-Museum wurde 1930 in den Düsseldorfer Zoo integriert. Das hat sich viele Jahre später als glücklicher Zufall erwiesen. Der Zoo wurde im 2. Weltkrieg fast komplett zerstört. Die Löbbecke-Sammlung war ausquartiert worden und hat so die Bomben überstanden. Nach dem Krieg wurden die Reste beider Sammlungen in einem Hochbunker im Düsseldorfer Norden untergebracht. Hier wurde sehr bald ein Aquarium eröffnet. Ich kenne die Ausstellung dort nur von einem einzelnen Besuch als Kind, kann mich aber an einige Exponate noch erinnern. Ich fand das riesige Leistenkrokodil faszinierend. Aber auch eine sehr geheimnisvoll wirkende Darstellung der Planeten als fluoreszierende Kugeln ist mir im Gedächtnis geblieben.

In der späten Nachkriegszeit wurde klar, dass der Zoo nicht mehr eröffnet würde. Die Flächen waren längst mit Wohnhäusern bebaut. Andererseits hatte sich das „Bunkeraquarium“ international einen herausragenden Ruf erarbeitet. Die Düsseldorfer planten ein neues, großes Aquarium. Um die Mittel der Zoo-Stiftung für den Bau eines angemessenen Hauses nutzen zu können, erfand man den Namen Aquazoo.  

Der Neubau von 1987

Dieses Domizil wirkte wie ein hypermodernes Ufo inmitten der eher biederen Gartenanlagen des Nordparks. Es wurde nach einigen technischen und juristischen Schwierigkeiten 1987 bezogen und eröffnet. Schlagartig wurde das Löbbecke Museum zum Aquazoo und zu einem der innovativsten Aquarien Europas, wenn nicht auf der Welt. Alleine die baulichen Fakten beeindruckten: Im Eingangsbereich begrüßte ein originales, Pottwal-Skelett die Besucher. Über 100 Ausstellungsbehälter gab und gibt es, vom 230 m³ fassenden Hai-Aquarium bis zum Kleinterrarium für Insekten oder Spinnen. Die in Köln „erfundenen“ Landschaftsaquarien wurden zu vier kleinen Tropenhäusern optimiert. Die zentrale Halle ist auf einem Steg begehbar. Doch nicht nur mit Größe konnte das Haus punkten. Neuartige Scheiben aus Acrylglas ermöglichten, zwei 270°-Dreiviertel-Rundbecken ohne Stege zu präsentieren. Hier wurden Fische des Korallenriffes bzw. eines tropischen Flusses untergebracht. Die Wirkung ist überwältigend, der Besucher hat das Gefühl, im Riff bzw. Fluss zu stehen.

Zunächst war für das Seewasser-Panoramabecken ein reiner Steinaufbau geplant, zwischen dem Korallenfische schwimmen sollten. Dem Besucher wollten die Ausstellungsmacher hier das individuelle, reviergebundene Leben dieser Tiere zeigen – im Gegensatz zum Schwarmverhalten der Süßwasserfische einige Räume weiter.

 

Die Korallen-Revolution

Die sehr konservative Ausrichtung passte nicht recht zum Haus und war vermutlich auch der hohen Arbeitsbelastung bei der Neueröffnung geschuldet. Doch wieder einmal kam der Zufall zu Hilfe. Kurz vor der Eröffnung beschlagnahmte der Zoll eine große Lieferung von Steinkorallen. Diese galten in den 1980ern noch als kaum im Aquarium haltbar. Sie wurden im Aquazoo untergestellt, wo man in dessen Folge „mal eben“ die Haltung von Korallen im Aquarium revolutionierte: Mit viel Fingerspitzengefühl lernten die Tierpfleger und Kuratoren, wie man Steinkorallen im Aquarium halten kann. Viel Feingefühl, das angepasste Licht, hervorragende Wasserpflege und genau dosierte Strömung sind die wichtigsten, aber lange nicht alle Punkte.


Obwohl baulich nicht optimal, wurde das Panoramabecken der Meerwasserabteilung zur Keimzelle einer neuen Ausrichtung der Meerwasseraquaristik: Wurden in den 70er und 80er Jahren hauptsächlich spektakulär bunte Fische und einige wenige robuste Weich- und Lederkorallen gepflegt, drehte sich der Trend um. Steinkorallen waren die neuen Stars der Meerwasseraquaristik in Zoos und Heimaquarien. Das ging so weit, dass einige Heimaquarianer Fische völlig aus ihren Aquarien verbannten: Sie würden die Korallen nur stören und mit ihren Ausscheidungen die Wasserpflege erschweren. Der Aquazoo ist diesen Weg nie gegangen. In den Korallenbecken schwammen immer herrliche, farbige Korallenfische.

 

Kleine, aber wichtige Innovationen

Dafür folgten bald weitere Innovationen in der Korallenhaltung. Der Löbbecke-Kalkreaktor wurde hier entwickelt. Da riffbildende Steinkorallen Kalk aus dem Wasser abscheiden und für ihre Skelette verbauen, verarmt das begrenzte Wasservolumen eines Aquariums an Kalk. Der pH-Wert wird instabil und das Aquarium droht zu kippen. Der Löbbecke-Kalkreaktor ermöglicht es, das schwer im Wasser lösliche Kalk in ausreichender Menge ins Aquarium zu geben.
Hierzu wird ein Topffilter (z.B. ein eheim-Gerät) weitgehend in sich kurz geschlossen. Nur ein kleiner Teil des zirkulierenden Wassers fließt ins Hauptbecken. Durch CO2 wird das Wasser innerhalb des Reaktors sauer gehalten, so dass sich der Kalk lösen kann und ins Aquarium gespült wird. Auf diese Weise steht er den riffbildenden Steinkorallen zur Verfügung.

In dieser Phase war ich als Schüler und Student mehrfach Praktikant, aber auch aus akademischen Gründen am Haus unterwegs. Es stellt für mich immer einen Teil meiner Alma mater dar.

 

Der Umbau

Zum Vermächtnis des 2008 verstorbenen, ehemaligen Oberbürgermeisters Joachim Erwin gehörte der Wunsch, Düsseldorf solle ein Aquarium von Weltrang beherbergen. Zu diesem Zeitpunkt hatten neuere Großaquarien dem Aquazoo längst den Status als modernstes Aquarium Europas abgerungen. Das Haus, das von Innovationen nur so strotzte, war im Vergleich zu Häusern wie in Arnheim, Stralsund oder Hirtshals so klein geworden, dass man den Namen Löbbecke-Museum wieder in den Vordergrund rückte. Das neue Aquarium sollte im Medienhafen entstehen und hätte den Aquazoo kannibalisiert. Es konnte aber wegen der Finanzkriese nicht realisiert werden. In der Zwischenzeit zeigte sich, dass tropische Temperaturen, Feuchtigkeit und Meersalz dem gerade 20 Jahre alten Gebäude massiv zugesetzt haben. Umfangreiche Renovierungsarbeiten wurden immer dringender. Im November 2013 wurde das Haus vorübergehend geschlossen, die Renovierung konnte beginnen.

Die Türen des Aquazoos konnten allerdings nicht wie geplant im Mai 2015 wieder öffnen. Die Sanierungen erwiesen sich als wesentlich aufwändiger und zogen sich bis September 2017 hin. Ein eher ungünstiger Termin, hatte man doch gehofft, mit einer Eröffnung im Spätfrühling den Besucherpeak auf die besucherarme Sommerzeit zu legen. Nun kam er in der Hauptsaison.

Die ersten Kommentare im Netz waren daher gemischt und beinhalteten relativ oft Kritik wie „viel zu voll“, „keine Ruhe“, „zu eng“. Ein Grund mehr, einen besucherarmen Tag für meinen Erstbesuch aufzusuchen.

 

Der Besuch im neuen AquaZoo

Muraena helena
Wie einer der beiden Alten aus der Muppetshow beobachtet die Muräne den Besucherstrom

Neben dem Wetter traf mich der erste Eindruck bereits, bevor ich den Aquazoo überhaupt betreten habe. Die Parkplatz- und Fußgängersituation im Nordpark ist immernoch ungenügend geregelt, dafür wurde das Parken teurer – und natürlich war der nächstgelegene Parkscheinautomat kaputt.

Im Haus lief ich zunächst auf einen Tresen zu, wo an zwei Kassen Eintrittskarten verkauft wurden. € 9,- für einen Erwachsenen, € 5,- für Kinder und Familienrabatte, das sind akzeptable Eintrittspreise.

Mein erster Eindruck war: es ist dunkler im Haus. Wo vorher weißes Licht dominierte, strahlt heute eine blaue Lichtleiste aus der abgehängten Decke. Die dunkle Atmosphäre fördert das Gefühl, sich unter Wasser zu bewegen. Die Lichtleiste kenne ich auch, irgendwas guckt sich jeder Aquarienhaus-Designer aus Monterey ab.

Abgesehen vom Tresen ist die Eingangshalle kaum verändert. Die Pinguine sind jetzt ins ehemalige Robbenbecken gewandert, wo sie mehr Platz, Frischluft und Sonne haben. Im ehemaligen Pinguin-Gehege leben jetzt zwei Papageientaucher.
Auf dem Weg zur Aquaristik kommt mir an der ersten Treppe der erste Film mit den beiden Erklärfiguren Fritz Schlammspringer und Theodor Löbbecke entgegen. Ganz witzig gemacht, beide Figuren haben Charakter, auch wenn mir die Begeisterung von Fritz überzogen scheint. Als Einführung in das Thema „Entstehung des Lebens“ und die Darstellung einiger Tierstämme und Wirbeltierklassen ist sie gut gelungen. Dies war bereits früher Thema des zweiten Raumes der Ausstellung, die Themen sind insgesamt beinahe gleich geblieben. Ebenfalls gleich geblieben sind viele Aquarien. Die Einrichtung ist ausgetauscht worden, Beleuchtung modernisiert und der Besatz verjüngt, aber am Kardinalproblem, zahlreiche und relativ kleine Becken zu haben, hat sich nichts geändert. Dabei wäre es während der Renovierung vermutlich nicht sehr schwer gewesen, mehrere Becken zu einem größeren Behälter zusammenzufassen.

 

Groß- und Kleinbecken

Koralle unter UV-Licht
Auch eine Innovation: In einem Aquarium werden fluoreszierende Korallen unter UV-Licht gepflegt. Der Effekt ist außerirdisch!

Wirklich sinnvoll ist es nicht, jedes einzelne Aquarium und Terrarium des Löbbecke-Museums zu besprechen. Daher nehme ich mir einige spezielle Aquarien vor.

Die Düsseldorfer scheinen das Korallenriff-Aquarium während der Renovierungsphase komplett neu aufgesetzt zu haben. Anstatt ineinander verschachtelter Felsblöcke stehen nun einzelne Steintürme in dem Aquarium. Dies ermöglicht den Pflegern, einzelne Bereiche auszutauschen, ohne groß umbauen zu müssen.

Das 230 m³-Großbecken, das als Hochseebecken mit Großhaien geplant war, hat einen größeren Umbau hinter sich. Jetzt stellt es eine Riffkante und einen Bereich der Lagune dar. Mit wenigen großen, mehr als mannshohen Kunstfelsen und einigen kleineren Blöcken ist der Nachbau gut gelungen. Auf ihnen, im Licht starker Scheinwerfer wachsen große, orangefarbene Seeanemonen, in denen auch Anemonenfische leben. Auch andere, aber wenige Korallenfische bevölkern das Becken. Blickfang sind aber eindeutig die frei schwimmenden Kuhnasenrochen, die wie Mini-Mantas mit kraftvollen Flossenschlägen durch das Becken ziehen. Der einzelne Schwarzspitzen-Riffhai passt zu dem Besatz, ist aber weitaus nicht so spektakulär.
Jedenfalls wieder ein Aquarium, in dem man sich stundenlang verlieren kann.

Auch die weiteren Seewasser-Aquarien bieten eine Kombination aus Bekanntem und Neuem. Bestimmte Besatze sind durch die Oberthemen des Raumes bestimmt. Aber auch in diesem Rahmen haben die Düsseldorfer den Spielraum gut ausgenutzt. Alle Aquarien machen einen hervorragend gepflegten Eindruck, keine Algenpest, gesunde Fische und nur an ganz wenigen Stellen einzelne Glasrosen – und tatsächlich ein mir völlig unbekannter Fisch!

 

Das Museum zwischen den Aquarien

Den Raum zwischen den Aquarienräumen hatte man früher kaum genutzt. Jetzt kommt auch hier das Löbbecke-Museum zum Vorschei. Hier hängen hier flache Vitrinen, in denen viele Museumsstücke ausgestellt und erklärt werden: vom Modell eines Süßwasserpolypen bis zum Haigebiss, vom konservierten Kalmar bis …

 

Der 2. Teil mit Süßwasser, Terrarium und Insektarium folgt demnächst. Es lohnt sich!

im 3/4-Kreis umgibt auch das Süßwasser-Panoramabecken den Besucher.
im 3/4-Kreis umgibt auch das Süßwasser-Panoramabecken den Besucher.

 


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