Als Sensenmann unterwegs

Rasenschnitt mit Heckenschere
Lesezeit: ca. 7 Minuten

 

Was vorher geschah: Die Wiese im Frühsommer

 

Der Juni neigt sich dem Ende, traditionell ist das die Zeit für die erste Mahd. Laut Literatur sollte man es mit der Sense machen, alternativ mit dem Balkenmäher. Hierbei werden durch die Schläge bzw. Vibrationen des Mähbalkens die Samen aus den Samenkapseln der Blütenstände geschüttelt. Schließlich sollen sich die Blumen und Gräser ja aussäen können. Dazu wollte ich zuerst die eine Hälfte der bisher ungemähten Fläche und eine Woche oder 14 Tage später die andere Fläche mähen. Bewohner des hohen Grases sollten den Lebensraum wechseln können. Auch das wird traditionell so gemacht.
Soweit die Theorie, im Garten sieht die Sache ganz anders aus…

 

Der erste Versuch: mit der Heckenschere

Ich habe weder eine Sense noch einen Balkenmäher. Daher muss ein geeigneter Ersatz her. Das Einzige, was als halbwegs brauchbarer Ersatz für einen Balkenmäher herhalten konnte, war eine (alles andere als neue) Heckenschere. In der Theorie stellt sich die Sache sehr einfach da: Man stellt sich in den Rasen, beugt sich mit der Schere so weit vor, dass das Blatt etwa parallel zum Boden steht und bewegt sich mit langsamen Schwenkbewegungen vor. Dabei sollen die vor und zurückgehenden Zähne der Schere das Gras und andere Pflanzen abschneiden und zu Fall bringen.

Beim Versuch, die Wiese mit der Heckenschere zu schneiden
Der Versuch, die Wiese mit einer Heckenschere zu schneiden, war untauglich

Spätestens beim ersten Herunterbeugen wurde mir klar, wie dämlich diese Idee ist. Wer nicht unbedingt geübt ist, wird schon Probleme haben, sich so weit herunter zu beugen, dass die Heckenschere auf einer vernünftigen Höhe parallel zum Boden steht. Der Rücken wird da schon ziemlich beansprucht. Kombiniert mit einer Drehbewegung: gar nicht gut: man kann das Knarren der Bandscheiben auf diese Weise stimmen, aber nicht wirklich lange so arbeiten. Es ist einfach mörderisch anstrengend. Allerdings konnte man hervorragend sehen, wie die Samen aus den Samenkapseln herausgeschüttelt wurden.

Hinzu kommt ein weiteres Problem: die Heckenschere schneidet zwar Thuja und Liguster, aber mit Grasstängeln ist sie überfordert. Ich habe mehr Zeit damit verbracht, die blockierenden Schneidewerkzeuge wieder frei zu bekommen, als ich geschnitten habe. Trotzdem habe ich irgendwann meine 25m² Zielfläche gemäht. (Okay, ich gebe zu, der Rand zur nicht-Zielfläche war „etwas“ breit, aber der Rest war kürzer.)

Das Zusammenkratzen wiederum war schnell gemacht.

Mein Vater, der mein ganzes Herumfuhrwerken neugierig beobachtet hat – das Wiesenexperiment ist schließlich auch für ihn neu –  schlug schon vor, mir eine Elektrosense zu besorgen. Noch ein Arbeitsgerät, das Krach macht und bei dem man darauf achten muss, das Kabel nicht zu zerstören: das hätte etwas von einer Kapitulation. Für den zweiten Versuch wollte ich eine richtige echte Sense.

 

Der zweite Versuch: eine klassische Sense

Als Sensenmann unterwegs
Mit der Sense geht es doch deutlich besser

Doch wie komme ich an eine Sense heran? Der Biber-Baumarkt hatte keine (mehr), schließlich wurde ich in meinem Stamm-Baumarkt in Wattenscheid fündig. Für 30 € war das Gerät nicht einmal teuer: der Stiel aus mehrfach gebogenem Alu-Rohr, zwei Holz-Griffe und eine einklappbare Klinge mit aufgestecktem Klingenschutz.

Am nächsten Tag gings dann los. Das größte Problem: Was trägt man als Schnitter? Als Pratchett-Fan bin ich der Meinung, ein Kapuzenumhang aus absoluter Dunkelheit ist gerade so angemessen. Leider hatte ich den gerade irgendwo verlegt, zudem war Binky nicht verfügbar. Also blieb mir auch die Fähigkeit, IN GROSSBUCHSTABEN ZU SPRECHEN versagt. Schade.

Gekleidet in die Outdoorhose, ein T-Shirt und den Krempenhut ging es dann ans Werk. Die Technik hat man erstaunlich schnell gelernt: Durch die Biegung des Stiels hängt das Sensenblatt schon halbwegs parallel über dem Boden, ausholen und kräftig nach links drehen, mehr aus der Hüfte, nicht aus dem Rücken: das erste Büschel Gras fiel. Ein kleiner Schritt vorwärts, ausholen, kräftig zuschlagen: ratsch. So langsam ging das gut. Aber immer dann, wenn ich glaubte, etwas Routine zu entwickeln, landete die Sensenklinge sonstwo, nur nicht in der Luft hinter einem abgemähten Grasbüschel. Also: konzentriert weiter arbeiten.

So merkte ich gar nicht, dass ich so langsam zu einer kleinen Attraktion wurde. Meine Eltern kamen, mein Vater filmte (nein, den Film zeige ich hier NICHT!). Die Nachbarin von unten guckte und ich arbeitete mich langsam, Schnitt für Schnitt, Schritt für Schritt durch die Wiese. Erst als die Männer aus dem Steuerbüro im Nachbarhaus rüber kamen und dumme Kommentare wie „mehr aus der Hüfte“ und „das muss flutschen“ von sich gaben, bemerkte ich mein Publikum. Die beiden Kommentatoren sahen sich leider nicht in der Lage, zu demonstrieren, wie man es aus der Hüfte flutschen lässt. Trotzdem hatte ich diesen Teil der Wiese sehr viel schneller und auch gleichmäßiger geschnitten, als mit der Heckenschere. Anstrengend war es dennoch und nach dem relativ kleinen Areal braucht die Sense einen neuen Schliff, den ich nicht mehr mit dem Wetzstein ausführen kann.

 

Arbeitsaufwand bisher:

kurz gemähter Bereich: sechsmal gemäht: 6 h Arbeit

Wiese: Nach der ersten Mahd: 2 h Arbeit.

 

Wie es weiter ging:

Um nicht noch mehr Kurzbeiträge zur Wiese zu schreiben, fasse ich die Aktionen für den Rest des Sommers zusammen. Der obere Teil der Wiese behielt den 14-Tage-Rythmus für den Rasenschnitt bei. Da es im Sommer 2018 erstaunlich warm und vor allem trocken war, kam fast nichts an Grünschnitt zusammen. Der untere Teil der Wiese blieb zunächst unangetastet. Das konnten die gelben Habichtskräuter nutzen, offenbar kam ihnen der einmalige Schnitt sehr zugute. Sie breiteten sich aus und sorgten für flache Stellen, aus denen einzelne Halme mit den Habichtskraut-Pusteblumen herausstanden. So wirklich schön sah das nicht aus, aber ich hielt die Planung durch. Im Gegensatz zu den beigegrauen „Trockenrasen“ unserer Nachbarn war das Stück Wiese sehr grün.

Erst Ende Juli nahm ich den Rasenmäher in die Hand, stellte ihn auf die größte verfügbare Bodenfreiheit und ging damit über die gesamte Fläche. Danach ließ ich den Rasen erst einmal Rasen sein, die Wiese blieb Wiese und der Rasenmäher bis auf Weiteres in der Garage.

Erst Anfang November (bei wunderschönem Septemberwetter) bekam die Fläche die letzte Bearbeitung. Sie sollte es in sich haben. Ich schnitt die ganze Fläche mit dem Mäher auf 6 cm und vertikutierte etwa die Hälfte der Fläche. Hierbei zog ich einen etwa 2 m breiten Ring an der Außenbegrenzung entlang, die Margeriten im Inneren blieben unberührt, genauso wie ein Teil der Rasenfläche. So stehen nächstes Jahr vier verschiedene Flächentypen zum Vergleich: Wiese, unvertikutiert; Wiese, vertikutiert; Rasen unvertikutiert; Rasen, vertikutiert. Bei der Gelegenheit versenkten meine Mutter und ich etwa 100 Zwiebeln verschiedener Pflanzen, vom Schneeglöckchen über Krokus bis zu anderen Pflanzen in der Wiese. Der Hund meines Bruders versuchte, sie wieder auszugraben.

Aufwand insgesamt:

Rasen: 12 x gemäht, 1 x teilweise vertikutiert, ca. 12 h Arbeit

Wiese: 2 x gemäht, 2 x teilweise vertikutiert, ca. 2,5 h Arbeit

Was weiter geplant ist:

Ich habe hier zahlreiche Tütchen mit Samen einheimischer Feldrand- und Wiesenblumen rumliegen. Im frühen Frühjahr werde ich sie mit einem Sack Sand mischen und auf der Fläche ausbringen. Bei der Gelegenheit werde ich auch Trittsteine auslegen, da mein Bruder im Winter im Nebenhaus einziehen wird. Damit er über die Fläche kommt, ohne bei nassem Wetter Matsch mitzunehmen, bekommt er einen Weg.

Bis auf den Bereich um den Weg werde ich nächstes Jahr keinen Rasen pflegen, sondern die Fläche komplett als Wiese betreiben. Damit kann ich mich auf zwei Mahdten im Juni und August beschränken.

Weniger Arbeit, mehr Erfolg – Was will man mehr? Ich werde in jedem Fall berichten.

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